Bullshit-Jobs – Wenn Arbeit nicht sinnstiftend ist
Ein Zuviel oder Zuwenig an Arbeit belastet auf Dauer Körper und Seele massiv. Der Job wird aber auch zu einem enormen Stressfaktor, wenn das Tätigkeitsfeld sinnlos erscheint.
Arbeit stellt einen wesentlichen Faktor zur Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit1 dar, denn neben finanziellen Aspekten sorgt sie für einen strukturierten Tag und gibt die Chance, persönliche Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und zu erweitern. Erscheinen uns die Aufgaben motivierend, dann können wir auch über uns selbst hinauswachsen. Und nicht zuletzt sorgt ein gutes Betriebsklima aufgrund der Einbindung in eine soziale Gruppe für Wohlbefinden.2 Ganz klar: „Arbeit schafft Identität“, sagt die Klinische Psychologin Lisa Guttenberger von pro mente steiermark.
Ein Job kann jedoch auch negativ auf die Psyche wirken, nämlich dann, wenn er über- oder unterfordert und sodann in einem Burn- oder Boreout mündet.3 Arbeit macht aber auch krank, wenn sie als sinnlos empfunden wird: „Identifikation mit dem Beruf spielt durch alle Schichten hinweg eine wichtige Rolle“4, erläutert der Arbeitspsychologe Theo Wehner. Werde der Job, der sehr viel Zeit in unserem Alltag einnehme, hingegen als sinnlos erlebt, und könne man sich eben nicht mit ihm identifizieren, „dann ist das eine sehr hohe Belastung“5, wie der Wirtschaftswissenschaftler und Business-Coach Bernd Slaghuis aus Köln ergänzt. Und der Fehlzeiten-Report aus dem Jahr 2018 macht deutlich: Fehlt Sinnhaftigkeit im Job, steigen die Krankenstände markant, nämlich von durchschnittlich 12,1 krankheitsbedingten Fehltagen auf 19,6 Tage.6 Damit bestätige sich laut Wehner auch das, was aus zahlreichen Studien bekannt sei, nämlich „dass Arbeit, die Menschen als sinnlos empfinden, krankt macht“7.
In diesem Kontext hat der US-Anthropologe David Graeber im Jahr 2013 die Begrifflichkeit der sogenannten ‚Bullshit-Jobs‘ geprägt – Jobs, die keinen Sinn erfüllen: „Es ist kein mieser Job, das wird leicht verwechselt“8, sagte der mittlerweile verstorbene Graeber. „Ein Bullshit-Job ist nicht unangenehm, schlecht bezahlt und ohne Status, sondern oft das Gegenteil. Das Wesentliche ist, dass derjenige, der einen Bullshit-Job ausübt, sich insgeheim denkt: Es gibt keine Existenzberechtigung für meine Tätigkeit“9, wie er weiterführend erklärte. Diese Bullshit-Jobs „verursachen regelmäßig Gefühle der Hoffnungslosigkeit, der Depression und der Selbstverachtung. Es sind Formen einer seelischen Gewalt, die sich gegen den innersten Kern dessen richtet, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“10, wie er drastisch schlussfolgerte.
Mit Bullshit-Jobs an die psychische Belastungsgrenze
Obwohl Graebers Theorie der Bullshit-Jobs aufgrund mangelnder qualitativer Ergebnisse zunächst mit Skepsis betrachtet wurde, riss die Debatte diesbezüglich nicht ab. Umfassendere Studien haben aber schließlich belegt: Menschen betrachten ihre Arbeit dann als sinnlos und unnötig, wenn eigene Ziele nicht erreicht werden können, was schließlich zu einem Gefühl der Entfremdung führen würde.11 Auch das eigene Selbstwertgefühl und nicht zuletzt die Motivation leiden unter der sinnlosen Beschäftigung, denn Arbeit ermögliche es im besten Fall, dass Menschen „dabei zeigen können, wie gut sie sind, und so Wertschätzung erfahren“12, sagt Wehner.
All diese Risikofaktoren der sinnlosen Arbeit führen – wie auch schon Graeber erklärte – zu Stress, der den Körper und die Psyche auf vielfältige Art und Weise enorm belastet: Einerseits ist man dadurch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder Verdauungsproblemen sowie vor zahlreichen psychosomatischen Beschwerden nicht mehr gefeit, andererseits treten neben Erschöpfung oder Unzufriedenheit schlimmstenfalls Depressionen oder Angst-Symptome wie Panikattacken auf.13
Sinnsuche nach individuellen Wertvorstellungen
Laut Graeber seien sinnlose Tätigkeiten vor allem in der Privatwirtschaft im mittleren Management zu finden und konkret seien Berufe wie Konzernanwält*in, PR-Spezialist*in, Telemarketer und Lobbyist*in sowie Büroangestellte ohne Kundenverkehr den Bullshit-Jobs zuzuordnen – sie würden nur eine „rein repräsentative“14 Rolle erfüllen.15 Der an der Universität Zürich tätige Soziologe Simon Walo bestätigt: Vor allem „[i]m privaten Sektor, der als schnelllebiger und produktiver gilt, glauben viel mehr Leute, einen Bullshit-Job zu haben“16, was der gängigen Annahme widerspricht, dass sinnlose Tätigkeiten vorrangig im öffentlichen Dienst in Erscheinung treten würden.17 Im Generellen ist jedoch festzuhalten, dass die Sinnhaftigkeit einer bestimmten Arbeit/Tätigkeit vor allem auf die subjektive Werthaltung zurückgeht und damit von jeder Person individuell bewertet wird – was für die einen sinnstiftend ist, kann für andere die Kriterien eines Bullshit-Jobs erfüllen.18 Wehner fasst also zusammen: „Wenn Menschen sich mit dem Inhalt ihrer Arbeit und dem Unternehmen, für das sie arbeiten, identifizieren, sind sie am zufriedensten“19.
Den Bullshit-Job an den Nagel hängen
Findet man sich selbst in solch einem Bullshit-Job wieder und erachtet man die täglichen Arbeiten als sinnlos, nicht bereichernd und konträr zu den eigenen Zielen und Wertvorstellungen, so „sollte man sich fragen, ob das an den Umständen oder an der Tätigkeit an sich liegt“20, sagt Walo. Entlarvt man viele Aufgaben als unnötig, so könnte eine Analyse dessen mit Vorschlägen und Ideen zur Prozessoptimierung an die Führungsebene weitergetragen und gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden.21 Aber auch Unternehmen können dazu beitragen, die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter*innen zu fördern, nämlich durch „weniger Routinearbeiten, mehr soziale[n] Austausch, mehr Wertschätzung, weniger sinnlose Aufgaben“22, schlägt Walo vor.
In Anbetracht der Folgen eines Bullshit-Jobs für Körper und Psyche sollte jedenfalls aktiv eine Änderung herbeigeführt werden, wenn man der Ansicht ist, einem Bullshit-Job nachzugehen, auch wenn dies im äußersten Fall bedeuten könnte, die aktuelle Arbeitsstelle zugunsten eines für sich persönlich als sinnvoller erachteten Jobs aufzugeben. Schließlich gilt es nämlich, dass die individuellen Arbeitsbedingungen weitestgehend mit den eigenen Zielen und Wertvorstellungen übereinstimmen, um die psychische Gesundheit mit dem Faktor Arbeit maßgeblich zu bereichern.
1 Lesen Sie mehr darüber in unserem Blogbeitrag Arbeit als wichtiger Faktor für psychisches Wohlbefinden »» vom 11.11.2020.
2 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz. In: gesundheit.gv.at. Aktualisiert am 19.12.2022.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/lebenswelt/beruf/psychische-belastung/gesundheit.html [Stand: 08.05.2025].
3 Auf den Themenbereich Burnout gehen wir ausführlicher in unserem Blogbeitrag Volksleiden Burnout – Das ‚Ausbrennen‘ wird noch immer unterschätzt »» vom 03.02.2021 ein, während Boreout im Blogbeitrag Langeweile bis zur Belastungsgrenze »» vom 21.02.2024 vordergründig besprochen wird.
4 Balzer, Anne-Sophie: „Sinn ist die beste Motivationsquelle überhaupt“. In: zeit.de. Veröffentlicht am 13.03.2019.
URL: https://www.zeit.de/arbeit/2019-03/zufriedenheit-job-arbeitsplatz-sinn-motivation-identifikation/komplettansicht [Stand: 08.05.2025].
5 RND / dpa: Sinn als Motivation: Wie wir Erfüllung im Job finden. In: rnd.de. Veröffentlicht am 13.05.2025.
URL: https://www.rnd.de/wissen/sinn-als-motivation-wie-wir-erfullung-im-job-finden-ZYATDLE3YZ3QS7NZQTKIANOOAY.html [Stand: 08.05.2025].
6 Vgl. Boes, Stefan: Arbeit ohne Sinn macht krank. In: zeit.de. Veröffentlicht am 04.09.2018.
URL: https://www.zeit.de/arbeit/2018-09/fehlzeiten-report-arbeit-zufriedenheit-gesundheit/komplettansicht [Stand: 08.05.2025].
7 Balzer, Anne-Sophie: „Sinn ist die beste Motivationsquelle überhaupt“.
URL: https://www.zeit.de/arbeit/2019-03/zufriedenheit-job-arbeitsplatz-sinn-motivation-identifikation/komplettansicht [Stand: 08.05.2025].
8 Stefan, Leopold: David Graeber: „Ein Drittel unserer Jobs ist sinnlos“. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 31.12.2018.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000092808241/david-graeber-ein-drittel-unserer-jobs-ist-sinnlos [Stand: 08.05.2025].
9 Stefan, Leopold: David Graeber: „Ein Drittel unserer Jobs ist sinnlos“.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000092808241/david-graeber-ein-drittel-unserer-jobs-ist-sinnlos [Stand: 08.05.2025].
10 Wicht, Mathilde / Bockholt, Anaïs-Sophie: Bizarre Debatte über „Bullshit-Job“: „Verdiene 70.000 und verstehe nicht, warum“. In: focus.de. Veröffentlicht am 27.11.2024.
URL: https://www.focus.de/finanzen/news/bizarre-debatte-bizarre-debatte-ueber-bullshit-jobs-verdiene-70-000-und-verstehe-nicht-warum_id_260509444.html [Stand: 08.05.2025].
11 Vgl. Ackermann, Susanne: These der Bullshit-Jobs scheint zu stimmen. In: psychologie-heute.de. Veröffentlicht am 14.12.2023.
URL: https://www.psychologie-heute.de/beruf/artikel-detailansicht/43101-these-der-bullshit-jobs-scheint-zu-stimmen.html [Stand: 08.05.2025].
12 Balzer, Anne-Sophie: „Sinn ist die beste Motivationsquelle überhaupt“.
URL: https://www.zeit.de/arbeit/2019-03/zufriedenheit-job-arbeitsplatz-sinn-motivation-identifikation/komplettansicht [Stand: 08.05.2025].
13 Vgl. Oberberg: Stress abbauen. In: oberbergkliniken.de.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/blog/stress-abbauen [Stand: 08.05.2025].
14 Stefan, Leopold: David Graeber: „Ein Drittel unserer Jobs ist sinnlos“.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000092808241/david-graeber-ein-drittel-unserer-jobs-ist-sinnlos [Stand: 08.05.2025].
15 Vgl. Stefan, Leopold: David Graeber: „Ein Drittel unserer Jobs ist sinnlos“.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000092808241/david-graeber-ein-drittel-unserer-jobs-ist-sinnlos [Stand: 08.05.2025].
16 Keusch, Nelly: Phänomen „Bullshit-Jobs“: Leute werden befördert und müssen sich ihre Aufgaben erst einmal zusammensuchen“, sagt der Soziologe Simon Walo. In: nzz.ch. Veröffentlicht am 29.10.2023.
URL: https://www.nzz.ch/wirtschaft/bullshit-jobs-warum-finden-so-viele-menschen-ihre-arbeit-sinnlos-ld.1761498 [Stand: 08.05.2025].
17 Vgl. Winkler, Sabine: In diesen Branchen gibt es die meisten Bullshit-Jobs. In: welt.de. Veröffentlicht am 11.08.2023.
URL: https://www.welt.de/kmpkt/article246802934/Arbeit-In-diesen-Branchen-gibt-es-die-meisten-Bullshit-Jobs.html [Stand: 08.05.2025].
18 Vgl. Wicht, Mathilde / Bockholt, Anaïs-Sophie: Bizarre Debatte über „Bullshit-Job“: „Verdiene 70.000 und verstehe nicht, warum“. In: focus.de. Veröffentlicht am 27.11.2024.
URL: https://www.focus.de/finanzen/news/bizarre-debatte-bizarre-debatte-ueber-bullshit-jobs-verdiene-70-000-und-verstehe-nicht-warum_id_260509444.html [Stand: 08.05.2025].
19 Balzer, Anne-Sophie: „Sinn ist die beste Motivationsquelle überhaupt“.
URL: https://www.zeit.de/arbeit/2019-03/zufriedenheit-job-arbeitsplatz-sinn-motivation-identifikation/komplettansicht [Stand: 08.05.2025].
20 Keusch, Nelly: Phänomen „Bullshit-Jobs“: Leute werden befördert und müssen sich ihre Aufgaben erst einmal zusammensuchen“, sagt der Soziologe Simon Walo. In: nzz.ch. Veröffentlicht am 29.10.2023.
URL: https://www.nzz.ch/wirtschaft/bullshit-jobs-warum-finden-so-viele-menschen-ihre-arbeit-sinnlos-ld.1761498 [Stand: 08.05.2025].
21 Vgl. Nussbaumer, Grigor: Bullshit-Jobs – Was Sie gegen Sinnlosigkeit im Job tun können. In: nau.ch. Veröffentlicht am 20.05.2021.
URL: https://www.nau.ch/lifestyle/gesellschaft/bullshit-jobs-was-sie-gegen-sinnlosigkeit-im-job-tun-konnen-65922316 [Stand: 08.05.2025].
22 Keusch, Nelly: Phänomen „Bullshit-Jobs“: Leute werden befördert und müssen sich ihre Aufgaben erst einmal zusammensuchen“, sagt der Soziologe Simon Walo. In: nzz.ch. Veröffentlicht am 29.10.2023.
URL: https://www.nzz.ch/wirtschaft/bullshit-jobs-warum-finden-so-viele-menschen-ihre-arbeit-sinnlos-ld.1761498 [Stand: 08.05.2025].
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Veröffentlicht am: 14.05.2025