Langeweile bis zur Belastungsgrenze

 

Jede*r von uns klagt so manches Mal über zu viel Arbeit. Wenn aber durchwegs Unterforderung im Job besteht, kann dies das seelische Wohlbefinden genauso stören und langfristig krank machen.

Erschöpfung, Schlafstörungen, Gereiztheit sowie Antriebslosigkeit und Interessenverlust – diese Symptome sind bekannt, wenn man von der Erschöpfungsdepression, dem Burnout-Syndrom1, spricht. Dabei führen eine zu hohe Arbeitsbelastung und Überforderung vornehmlich im Job zu körperlichen und psychischen Problemen bis hin zur Depression. Ebendiese Symptome treten aber auch bei gegenteiligem Sachverhalt auf – bei Unterforderung und Langeweile im Beruf. Sodann spricht man vom Boreout-Syndrom.

Langeweile darf nicht sein

Weil wir in einer schnelllebigen Leistungsgesellschaft leben, wird Boreout im Vergleich zum Burnout immer noch nicht ernst genommen: „ Das Burnout bedeutet für viele: Ich bin gefragt und brenne für eine Sache“2, sagt der Wiener Arbeitspsychologe Andreas Fida-Taumer. Zugeben zu müssen, dass man Symptome des ‚Ausbrennens‘ aufgrund von Unterforderung zeigt, wollen deswegen die wenigsten. Dabei zeigen Umfragen, dass sich 5 % der Büroangestellten mengenmäßig, 13 % auch fachlich unterfordert fühlen.3 Vor allem betroffen sind Personen mit Festanstellung, die noch dazu über einen höheren Bildungsabschluss verfügen. Sie können ihrer Kreativität nicht freien Lauf lassen, werden im Eigenengagement gebremst und finden sich in starren, hierarischen Strukturen innerhalb eines größeren Unternehmens wieder.4 „Das Problem ist […], dass die Arbeit nicht erfüllt, keine Freude oder Sinn schenkt, sondern langweilt, etwa weil auch zu wenig Hirn und Herz gefordert wird“5, erklärt Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik im Kloster Dießen in Bayern.

Ohne Sinn und Zweck

Boreout beschreibt demnach das Fehlen von sinnvollen Aufgaben im Job, wodurch Gefühle von Leere und Bedeutungslosigkeit entstehen. Dadurch sinken die Motivation und das Selbstwertgefühl, während die Frustration gleichzeitig zunimmt.6 Die deutsche Psychotherapeutin Jelena Becker fasst zusammen: „Unterforderung bedeutet für den Körper Stress“7, und ebendieser Stress führt in weiterer Folge zu Erschöpfung und Müdigkeit, zu Lustlosigkeit, Unzufriedenheit und Gereiztheit. Neben Schlafstörungen treten Kopf- und Rückenschmerzen sowie Verspannungen, Schwindel und Beschwerden den Magen-Darm-Trakt betreffend auf, die sich in einem sehr schleichenden Prozess über Monate bis hin zu Jahren erst bemerkbar machen.8 Hinzu kommt aber der Umstand, dass Betroffene aus Angst, den Job zu verlieren, ihre Situation verschleiern und alles unternehmen, um beschäftigt zu wirken: Aufgaben, für die kaum Zeit aufgewendet werden muss, werden in die Länge gezogen, Arbeitszeiten werden ausgedehnt, um zu signalisieren, dass genügend zu tun wäre. Und dadurch wollen sie sich außerdem weiteren Arbeiten, die nur beschäftigen anstatt herausfordern sollen, entziehen.9 „Letztendlich kann der völlige Sinnverlust sogar im Extremfall bis zu einer Lebensmüdigkeit führen“10, warnt Bert te Wildt. Deswegen sein Rat – „[w]enn man über mehrere Wochen depressiver Stimmung ist, die Freude an Dingen verloren hat, die früher Freude bereitet haben, vor allem jedoch, wenn man sich bei lebensmüden Gedanken ertappt, sollte man professionelle Hilfe suchen“11, denn neben sozialer Isolation und Zukunftsängsten entwickeln manche auch chronischen Depressionen sowie Angsterkrankungen.12

Der Langeweile den Kampf ansagen

Die Vorarlberger Psychologin Ruth Rüdisser-Rall erklärt im Allgemeinen nämlich, „dass die Arbeit persönlich Sinn stiftet“13, weswegen man „das Gefühl haben“14 solle, „die Arbeitszeit ausfüllen zu können mit einer Arbeit, die erfüllt und Freude macht. Die Arbeitszufriedenheit stellt sich ein, wenn die drei Kriterien Sinn, Zeit und Geld berücksichtigt sind. Ein weiterer Faktor ist die emotionale Bindung an das Unternehmen“15. Nun steht für viele ein Jobwechsel nicht an erster Stelle, denn beispielsweise Betroffene mit gutem Einkommen sehen den gewohnten Lebensstandard in Gefahr oder sind auf das Gehalt wegen laufender Kosten (wie Kredite) angewiesen und können sich eine mögliche längere Arbeitslosigkeit, bis ein neuer Job gefunden werden kann, einfach nicht leisten.16 Deswegen ist es unbedingt notwendig, zu handeln, um Folgeerkrankungen im Zuge eines Boreouts zu unterbinden.

Strategien gegen Boreout

Am wichtigsten ist es, über das Problem und die psychische Belastung durch Unterforderung zu reden: Familie, Freund*innen und professionelle Unterstützung durch Psychotherapeut*innen können dabei helfen, eine andere Sichtweise auf die Problematik zu entwickeln. Vor allem empfiehlt sich jedoch ein Gespräch mit der*dem direkten Vorgesetzten. „Dabei sollten Arbeitnehmer den Chef nicht vorwurfsvoll angehen, sondern lieber sachlich erklären, wie die eigene Arbeitsbelastung aussieht, und aktiv Verbesserungsvorschläge einbringen“, rät der Schweizer Unternehmensberater Philippe Rothlin, der zusammen mit Peter Werder die Diskussion rund um das Boreout-Syndrom im Jahr 2007 mit der Publikation Diagnose Boreout17 erst überhaupt angestoßen hat. Zudem sollte sogleich zur Sprache gebracht werden, an welchen Projekten konkret mitgearbeitet werden möchte. Erst wenn sich dahin gehend nichts ändert und ebenso ein interner Wechsel in einen anderen Bereich nicht möglich gemacht wird, wird Betroffenen empfohlen, einen anderen Job zu suchen.18

Auch Vorgesetzte stehen in der Verantwortung, das Arbeitsvolumen auf Mitarbeiter*innen gleichmäßig und gemäß den Kompetenzen zu verteilen. Dabei sollten sie klar kommunizieren, dass sie für ein Gespräch bei Überbelastung oder Unterforderung jederzeit zur Verfügung stehen. Und zudem helfen flexible Arbeitszeiten, möglichen Boreout-Symptomen entgegenzusteuern: „Wer Mitarbeiter nicht früher gehen lässt, obwohl sie ihre Aufgaben für den Tag erledigt haben, fördert unfreiweillig das Problem“19, sagt Rothlin.20

Des Weiteren ist es wichtig, für ausgleichende Motivatoren außerhalb der Arbeit zu sorgen. So unterstützen Sport und Bewegung beim Abbau von Stresssymptomen und Frustgefühlen, aber auch Tätigkeiten wie beispielsweise die Übernahme eines Ehrenamtes verleihen wieder neuen Sinn und steigern den Selbstwert.21

Zusammenfassend zeigen die Ausführungen, dass Boreout – obwohl es eher spöttisch belächelt wird – zu ernstzunehmenden Erkrankungen vor allem die Psyche betreffend führen kann, weswegen Symptome dahin gehend keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Ein Gespräch mit der*dem Vorgesetzten kann bereits viele Probleme lösen, symbolisiert außerdem, dass mehr geleistet werden möchte. Und damit widerspricht Boreout letztendlich auch nicht den gesellschaftlichen Leistungsanforderungen.

 


1 Lesen Sie mehr dazu in unserem Blogbeitrag Volksleiden Burnout – Das ‚Ausbrennen‘ wird noch immer unterschätzt »» vom 03.02.2021.

2 Zoidl, Franziska: Boreout statt Burnout: Wenn Unterforderung krank macht. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 08.04.2021.
URL: https://www.derstandard.de/story/2000125350807/boreout-statt-burnout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

3 Vgl. Zoidl, Franziska: Boreout statt Burnout: Wenn Unterforderung krank macht.
URL: https://www.derstandard.de/story/2000125350807/boreout-statt-burnout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

4 Vgl. Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen. In: focus.de. Veröffentlicht am 14.06.2019.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024].

5 Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024].

6 Vgl. Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom. In: meinegesundheit.at. Aktualisiert am 22.09.2020.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 16.01.2024] und
vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Gibt es das Boreout-Syndrom wirklich und was hilft dagegen? In: aok.de. Veröffentlicht am 11.08.2023.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/boreout-syndrom-wenn-langeweile-krank-macht/ [Stand: 16.01.2024].

7 Misakian, Mariam: Die Macht der Langeweile. In: faz.net. Aktualisiert am 31.12.2020.
URL: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/phaenomen-boreout-die-macht-der-langeweile-17116177.html [Stand: 16.01.2024].

8 Vgl. Oberberg: Boreout – wenn Unterforderung krank macht. In: oberbergkliniken.de.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/boreout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

9 Vgl. Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 16.01.2024] und
vgl. Zoidl, Franziska: Boreout statt Burnout: Wenn Unterforderung krank macht.
URL: https://www.derstandard.de/story/2000125350807/boreout-statt-burnout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

10 Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024].

11 Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024].

12 Vgl. Zoidl, Franziska: Boreout statt Burnout: Wenn Unterforderung krank macht.
URL: https://www.derstandard.de/story/2000125350807/boreout-statt-burnout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

13 Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 16.01.2024].

14 Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 16.01.2024].

15 Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 16.01.2024].

16 Vgl. Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024].

17 Rothlin, Philippe / Werder Peter R.: Diagnose Boreout. Warum Unterforderung im Job krank macht. Heidelberg: Redline Wirtschaft 2007.

18 Vgl. Oberberg: Boreout – wenn Unterforderung krank macht.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/boreout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024] und
vgl. Misakian, Mariam: Die Macht der Langeweile.
URL: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/phaenomen-boreout-die-macht-der-langeweile-17116177.html [Stand: 16.01.2024].

19 Misakian, Mariam: Die Macht der Langeweile.
URL: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/phaenomen-boreout-die-macht-der-langeweile-17116177.html [Stand: 16.01.2024].

20 Vgl. Misakian, Mariam: Die Macht der Langeweile.
URL: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/phaenomen-boreout-die-macht-der-langeweile-17116177.html [Stand: 16.01.2024].

21 Vgl. Preuk, Monika: Gutverdiener haben höheren Risiko: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/boreout-langweile-die-krank-macht-welche-symptome-sie-ernst-nehmen-muessen_id_10817856.html [Stand: 16.01.2024] und
vgl. Oberberg: Boreout – wenn Unterforderung krank macht.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/boreout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 16.01.2024].

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Veröffentlicht am: 21.02.2024