Von der professionellen Beratung hin zum Alltagsplausch – die Therapiesprache

 

Vor allem online wird offen wie nie über psychische Problemstellungen diskutiert. Was auf den ersten Blick positiv bewertet werden könnte, stellt sich bei näherer Betrachtung jedoch als risikoreiches Unterfangen dar.

Mit offenem Mund essen oder geräuschvoll kauen – „Das triggert total“. Oder in jungen Jahren von der Schaukel fallen – „Ein echtes Kindheitstrauma“. Und nicht zuletzt – die gescheiterte „toxische“ Partnerschaft. Diese und viele weitere Aussagen kursieren in einer Vielzahl vor allem auf Social-Media-Kanälen, um kundzutun, dass man über eine Sache oder Person verärgert oder genervt ist bzw. man sich an unliebsame Momente – bestimmte Ereignisse oder Beziehungen – erinnert. Doch genau diese mittlerweile schon fast inflationäre Verwendung solcher Wörter, wie sie eigentlich im psychologischen Diskurs gebraucht werden, bzw. die sogenannte Therapiesprache1 bringen gleich mehrere Probleme mit sich.

Gefährliches Halbwissen geht viral

Es ist mittlerweile nämlich zu einem richtiggehenden Trend geworden, alltägliche private Belange über Social-Media-Kanäle kundzutun und diese mit psychologischen Termini zu untermauern. Dabei werden jedoch viele Begrifflichkeiten – wie beispielsweise die bereits angeführten – falsch eingesetzt bzw. diese stimmen häufig nicht mit den dahinterstehenden komplexen psychologischen Krankheitsbildern überein.2 Der in Deutschland tätige Psychologe und Psychotherapeut Lukas Maher begrüßt zwar, „dass gerade junge Menschen heute viel offener über psychische Probleme sprechen, über ihre Gefühls- und Beziehungswelt nachdenken und auch die Psychotherapie viel von ihrer einstigen Stigmatisierung verloren hat. Aber wenn diese Begriffe in dieser Weise verwendet werden, ist das schlicht Pop-Psychologie“3, also der riskante Versuch, „auf komplexe Zusammenhänge einfache Antworten zu geben“4. Demgemäß wird kritisiert, dass alltägliche Problemstellungen oder Emotionen zunehmend psychologisiert und so auch „Pseudo-Diagnosen“5 ausgesprochen werden, obwohl „das normale Auf und Ab“6 zum Leben dazugehöre und von den meisten Menschen auch gut bewältigt werden könne, so Maher.7 Aus diesem Grund müsse danach gefragt werden, „warum wir so drastische Begriffe wie „Trauma“ brauchen, um über schlechte Lebenserfahrungen zu sprechen“8, wie er sagt.

Abwertung von psychischen Problemen oder Erkrankungen

Der in Luxemburg tätige Psychotherapeut Sacha Bachim führt nämlich eine Problematik dieser alltäglich gewordenen Therapiesprache an: „Wenn Worte wie ‚triggern, toxisch oder narzisstisch‘ leichtfertig verwendet werden, kann dies dafür sorgen, dass psychische Probleme nicht mehr ernst genommen werden“9. Platziert werden solche Begrifflichkeiten meistens auch nicht korrekt und zudem verharmlosen sie häufig deren wirkliche Bedeutung – mit Folgen: „Dadurch werden therapeutische Konzepte banalisiert“10, wie Bachim weiter erklärt. Alltägliche Erfahrungen werden also mit ernst zu nehmenden psychischen Problemen verglichen,11 worunter auch Betroffene leiden.

Kränkung von Betroffenen

Maher erläutert dies anhand des Trauma-Begriffst, der „etwas wirklich Schwerwiegendes bezeichnen“12 würde. Werde dann leichtfertig damit umgegangen bzw. „umhergeworfen“13, sei diese „Bagatellisierung […] ja auch abwertend für Menschen, die tatsächlich unter einer Traumafolgestörung leiden“14. Und er kritisiert dabei noch schärfer, dass die „allzu saloppe Verwendung wirklich Betroffene“15 verhöhne, „die mit einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen haben. Das ist ein ganz anderes Kaliber“16.

Traumatisiert zu sein bedeutet nämlich im psychologischen Kontext, dass man eine psychische Ausnahmesituation erlebt hat, beispielsweise Gewalt-, Kriegserfahrungen gemacht, einen Unfall erlitten hat oder einer Naturkatastrophe ausgesetzt war.17 Solche überwältigenden Ereignisse versetzen in einen Zustand extremer Hilflosigkeit, die im schlimmsten Fall eine Traumafolgestörung wie eine posttraumatische Belastungsstörung18 nach sich ziehen kann.19 Von Trigger spricht man in weiterer Folge, wenn Betroffene die traumatische Situation wieder durchleben (Flashback), ausgelöst durch einen bestimmten Schlüsselreiz, ebenjenen Trigger.20 Symptome kurz nach einem erlebten Trauma sind neben innerer Betäubung und einer eingeschränkten Wahrnehmung sowie Dissoziation und Depersonalisation unter anderem auch Übelkeit, Zittern, Herzrasen oder Angst und Panik. Entwickeln sich daraus psychische Erkrankungen wie eine PTBS oder eine Anpassungsstörung, ist eine intensive Therapie der jeweiligen Krankheit dringend erforderlich.21

Anhand dieser kurzen Erläuterung wird deutlich, wie wenig die Therapiesprache und der Gebrauch entsprechender Wörter wie ‚triggern‘ oder ‚Trauma‘ für die Kommunikation über alltägliche Probleme und Gefühlslagen mit den tatsächlichen psychologischen Begrifflichkeiten gemein haben bzw. geeignet sind. Die Folge ist, wie bereits erwähnt, eine Verharmlosung schwerwiegender psychischer Problemstellungen und eine Abwertung von Betroffenen. Deswegen mahnt Maher zur Vorsicht hinsichtlich eines unreflektierten Umgangs mit solch scheinbar harmlosen Aussagen: „Wir müssen uns kollektiv differenzierter mit diesen Themen auseinandersetzen“22. Aufgefordert wird also dazu, sich intensiver mit den diversen Begrifflichkeiten sowie deren ursprünglichen Bedeutungen zu beschäftigen und sich zu fragen, was hinter einem Begriff oder Problem stecke, wie er appelliert.23

Gemäß den Ausführungen gilt es also, Begrifflichkeiten der Therapiesprache zu hinterfragen, sich Wissen zu einzelnen psychologischen Fachtermini und Krankheitsbildern anzueignen und daraus resultierend Sprache sorgfältiger zu gebrauchen, um ernste und schwerwiegende psychische Erkrankungen nicht abzuwerten sowie um das Leid von Betroffenen nicht zu einem alltäglichen Problem zu degradieren.

 


1 Therapiesprache bedeutet, dass Begrifflichkeiten aus der Psychologie/Psychotherapie in die Alltagssprache einfließen oder bereits Eingang in diese gefunden haben.
Vgl. dazu Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten. In: derstandard.at. Aktualisiert am 25.03.2025.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

2 Vgl. Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können. In: apotheken-umschau.de. Veröffentlicht am 21.03.2025.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

3 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

4 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

5 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

6 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

7 Vgl. Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

8 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

9 Köllen, Jennifer: „Das triggert mich“: Warum wir diesen Satz nicht sagen sollten. In: geo.de. Veröffentlicht am 25.04.2024.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/-das-triggert-mich—warum-wir-diesen-satz-nicht-sagen-sollten-34655858.html [Stand: 11.09.2025].

10 Köllen, Jennifer: „Das triggert mich“: Warum wir diesen Satz nicht sagen sollten.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/-das-triggert-mich—warum-wir-diesen-satz-nicht-sagen-sollten-34655858.html [Stand: 11.09.2025].

11 Vgl. Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

12 Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

13 Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

14 Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

15 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

16 Röll, Iris: „Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge“ – warum psychologische Begriffe im Alltag gefährlich sein können.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/pop-psychologie-gefahr-durch-psychologische-begriffe-im-alltag-1244203.html [Stand: 11.09.2025].

17 Im Blogbeitrag Psychisch erschüttert – Traumata und ihre Bewältigung »» vom 07.04.2021 gehen wir näher auf das Thema ‚Trauma‘ ein.

18 Mehr zur posttraumatischen Belastungsstörung lesen Sie in unserem Blogbeitrag Vom Trauma zur psychischen Erkrankung – die posttraumatische Belastungsstörung »» vom 13.07.2022.

19 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Seelisches Trauma: Was ist das? In: gesundheit.gv.at. Aktualisiert am 02.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/symptome.html [Stand: 11.09.2025].

20 Vgl. von Liebe: Sylvaine: Wie ihr seelische Wunden erkennt und verarbeitet. In: ardalpha.de. Veröffentlicht am 25.08.2023:
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/trauma-traumatherapie-definition-symptome-psychologie-100.html [Stand: 11.09.2025].

21 Vgl. Oberberg: So reagiert die Psyche des Menschen auf außergewöhnliche Belastungen. In: oberbergkliniken.de.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/akute-belastungsreaktionen [Stand: 11.09.2025].

22 Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

23 Pötsch, Magdalena: Trigger, Trauma, toxisch: Warum wir mit Therapie-Sprech aufhören sollten.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000262218/trigger-trauma-toxisch-warum-wir-mit-therapie-sprech-aufhoeren-sollten [Stand: 11.09.2025].

Bildhinweis: Adobe Stock

Veröffentlicht am: 24.09.2025