Vom Trauma zur psychischen Erkrankung – die posttraumatische Belastungsstörung

 

Nachdem man einer traumatischen Situation ausgesetzt war, ist es von besonderer Wichtigkeit, (psychotherapeutische) Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wird das Trauma nämlich nicht verarbeitet, kann sich daraus eine langfristige schwere psychische Erkrankung entwickeln.

Wir alle sehen uns im Laufe des Lebens mit Situationen konfrontiert, die unsere Seele stark belasten und ihr ‚Wunden‘ zufügen können, beispielsweise die Trennung von der/vom Partner*in, die Krankheit einer nahestehenden Person oder der Tod eines geliebten Menschen. Trotzdem versuchen wir, das Ereignis bestmöglich zu verarbeiten und einen Weg zu finden, damit umzugehen. Doch wenn ein solches Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder im Ausmaß katastrophal ist und sich als Trauma manifestiert, kann dies zu einer schweren psychischen Erkrankung führen.

Ein Trauma mit verheerenden Folgen

Die posttraumatische Belastungsstörung – kurz PTBS – kennzeichnet sich als eine verzögerte Reaktion auf eine beispiellos schreckliche Erfahrung, die gemacht wurde1 und die „bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde […]“2, so die in Oberösterreich tätige klinische Psychologin Daniela Huemer. Schwere Unfälle, Gewalteinwirkung und Missbrauch, Krieg, terroristische Anschläge oder Naturkatastrophen führen dabei zu einem Trauma3, also zu einer seelischen Wunde, die nur schwer verarbeitet werden kann.4

Von der Erstreaktion nach einem Trauma hin zur PTBS

Unmittelbar nach einer traumatischen Erfahrung können starke Stresssymptome auf eine akute Belastungsreaktion hinweisen, beispielsweise starkes Schwitzen, Übelkeit und Erbrechen, Unruhe, Gereiztheit, aber auch Desorientierung und eine innere Distanzierung. Diese Symptome klingen in der Regel nach wenigen Tagen, maximal nach einem oder zwei Monaten wieder ab. Halten sie jedoch länger an, kann aus der akuten Belastungsreaktion die PTBS entstehen.5 Diese entwickeln ca. 50 % der Kriegs-, Vergewaltigungs- und Folteropfer, ungefähr 20 % der Opfer von Gewaltverbrechen, ca. 20 % der Kriegssoldat*innen und ca. 10 % jener Personen, die einen schweren Verkehrsunfall oder eine lebensbedrohliche Erkrankung erlitten haben.6

Merkmale und Kennzeichen der Erkrankung

Die psychische Krankheit kennzeichnet sich dabei durch die folgenden Merkmale:7

  • Körperliche und seelische Übererregbarkeit
    Betroffene befinden sich häufig in ständiger ‚Alarmbereitschaft‘ und sind deswegen sehr wachsam. Außerdem leiden sie unter Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, sind des Weiteren leicht reizbar und impulsiv. Darüber hinaus können bestimmte Reize wie Gerüche, Geräusche oder Bilder, welche an das traumatische Ereignis erinnern, körperliche Beschwerden wie Herzklopfen, ein Engegefühl in der Brust, Zittern oder Atembeschwerden auslösen.
  • Vermeidungsverhalten
    Häufig werden Situationen, Orte oder andere Menschen gemieden, die mit dem traumatischen Ereignis in Zusammenhang stehen und deswegen Erinnerungen daran sowie Flashbacks (klare Erinnerungen an die Situation und sich wiederholende (Alb-)Träume, die darauf Bezug nehmen) auslösen können. Deswegen kommt es nicht selten zu einem sozialen Rückzug der betroffenen Person sowie zu Emotionslosigkeit und auch das Interesse an Dingen, die vor dem Erlebnis von Bedeutung waren, schwindet. Nicht zuletzt fühlen sich einige fremd im eigenen Dasein (Derealisation) oder man nimmt sich nicht als sich selbst wahr (Depersonalisation).
  • Verdrängung
    Manche verdrängen das traumatische Ereignis so stark, dass sie sich nicht mehr daran oder zumindest an wichtige Teile des Traumas erinnern können.
  • Belastende Gedanken und negative Stimmungslage
    Flashbacks und wiederkehrende Albträume können dazu führen, dass durchlebte Angst, Hilflosigkeit, Schuld und Scham wieder gegenwärtig werden. Auch körperliche Beschwerden (Schmerzen) können so auftreten. Des Weiteren empfinden Betroffene häufig Wut auf Personen, die das Trauma verschuldet haben, und auf nahestehende Personen, von welchen sie sich nicht genügend unterstützt fühlen.

PTBS als Gefahr für weitere psychische Erkrankungen

Die posttraumatische Belastungsstörung verursacht bei ca. 80 % der Betroffenen weitere psychische Erkrankungen, beispielsweise Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen.8 Psychosen und Essstörungen können sich genauso entwickeln wie eine dissoziative Störung: Wie bereits erwähnt verdrängen Betroffene das traumatische Ereignis so stark, dass es (zum Teil) aus dem Gedächtnis gelöscht bzw. ‚abgespaltet‘ wird und sich auch die Persönlichkeit verändert.9

Weil die Gefahr, neben der PTBS die eben angeführten psychischen Erkrankungen zu entwickeln, sehr groß ist, etwa zwei Drittel noch nach vielen Jahren mit den Symptomen der Krankheit zu kämpfen haben und im Generellen die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist – die Erkrankung kann negativen Einfluss auf Partnerschaft, Freundschaften und Beruf haben –10 ist eine Therapie unabdingbar.

(Psycho-)Therapeutische Maßnahmen sind erforderlich

Leidet man an den Folgen eines psychischen Traumas – ob nun in Form einer akuten Belastungsstörung oder bereits an PTBS-typischen Symptomen – sollte man sich schnellstmöglich Hilfe suchen, um das traumatische Erlebnis verarbeiten zu können und um in weiterer Folge die psychische Erkrankung zu heilen. Bei manchen Menschen sind bereits die Unterstützung der engsten Angehörigen sowie psychologische Beratungsangebote ausreichend, um Symptome einer PTBS zu lindern bzw. diese erst gar nicht zu entwickeln. Andere wiederum benötigen eine intensive psychotherapeutische Behandlung.11 Erste Anlaufstellen sind hier Ärzt*innen für Psychiatrie oder psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut*innen, klinische Psycholog*innen, aber auch Kriseninterventionseinrichtungen sowie Ambulanzen für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie.12

Zentraler Bestanteil einer Psychotherapie in Bezug auf PTBS ist hierbei die sogenannte Traumatherapie, bei welcher sich Betroffene mit dem Erlebnis, welches zur Erkrankung geführt hat, auseinandersetzen.13 Dabei sind 3 Phasen wesentlich:

  • Stabilisierung
    Betroffene versuchen, innere und äußere Sicherheit zu erlangen sowie körperliche und psychische Kräfte zu stärken, um Hilflosigkeit abzulegen und um wieder mehr Eigeninitiative zurückzubekommen.
  • Traumabearbeitung
    Hierbei steht das Erinnern an das Trauma sowie dessen Ereignis-Rekonstruktion im Vordergrund. Ziel dieser Phase ist das Gewinnen einer einheitlichen Erfahrung in Bezug auf das Trauma.
  • Integration
    Von Bedeutung ist hierbei das Annehmen des Traumas als Teil der Lebensgeschichte. Erarbeitet werden diverse Bewältigungsstrategien, um neue Wege der Alltagsgestaltung zu finden.

Im Generellen ist die posttraumatische Belastungsstörung zwar heilbar – etwa ein Drittel der Betroffenen haben nach einem Jahr deutlich mildere Symptome –, jedoch leiden ca. zwei Drittel aller Patient*innen auch noch viele Jahre nach dem Trauma an PTBS-spezifischen Krankheitszeichen sowie an daraus resultierenden Folgeerkrankungen.14 Damit es erst gar nicht zu einer PTBS kommt, ist die zwischenmenschliche Unterstützung von Angehörigen (emotional sowie bei Alltagstätigkeiten) von großer Bedeutung, um mit dem Trauma zurechtzukommen. Auch das Schaffen einer sicheren Umgebung, um sich vor weiteren belastenden Ereignissen zu schützen, hilft dabei, keine PTBS zu entwickeln.15

Gemäß den Ausführungen ist es also von besonderer Wichtigkeit, nach traumatischen Erfahrungen Hilfe in Anspruch zu nehmen – ob nun durch die engsten Vertrauten oder psychosoziale bzw. psychotherapeutische Unterstützung –, damit eine akute Belastungsreaktion erst gar nicht eine posttraumatische Belastungsstörung nach sich zieht. Speziell in der Steiermark finden Betroffene Anlaufstellen zur Bewältigung des erlittenen Traumas, um Symptome zu lindern und um damit einer PTBS vorzubeugen:

KIT: Kriseninterventions-Team Steiermark für psychosoziale Akutberatung
Telefon: 130
bei akuten Krisen und Notfallsituationen
Erreichbarkeit rund um die Uhr und kostenlos

Telefonseelsorge
Telefon: 142
kostenlose Beratung rund um die Uhr

Frauenhäuser Steiermark
Telefon: +43 316 42 99 00
Erreichbarkeit rund um die Uhr

Frauen-Notruf
Telefon: +43 316 42 99 00
Erreichbarkeit rund um die Uhr

Männer-Notruf
Telefon: 0800 246 247
Erste Anlaufstelle für Männer in Krisen- und Gewaltsituationen
Erreichbarkeit rund um die Uhr

Männerberatung Steiermark
Telefon: +43 316 83 14 14
Erreichbarkeit von Montag bis Freitag zwischen 10:00 und 12:00 Uhr sowie Dienstag und Donnerstag auch von 16:00 bis 18:00 Uhr

Gewaltschutzzentrum Steiermark – Hilfe für Opfer von Gewalt
Telefon: +43 316 77 41 99
Erreichbarkeit von Montag bis Donnerstag zwischen 08:00 und 16:00 Uhr, Freitag von 08:00 bis 13:00 Uhr; in dringenden Fällen telefonische Erreichbarkeit bis 22:00 Uhr

Opferhilfe Steiermark – Weißer Ring
Opfer-Notruf: 0800 112 112
Telefon: +43 699 134 34 020
Erreichbarkeit am Montag von 10:00 bis 13:00 Uhr sowie Dienstag bis Freitag von 08:00 bis 11:00 Uhr

LKH Graz II, Standort Süd
Telefon: +43 316 2191 0

Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin
Telefon Ambulanz: +43 316 385 13616

SMZ Liebenau – Sozialmedizinisches Zentrum
Telefon: +43 316 46 23 40
Journaldienst jeden Donnerstag von 17:00 bis 19:00 Uhr

NADUA – Trauma & Dissoziation im Zentrum
Kontakt: office@nadua.at

 


1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose. Aktualisiert am 02.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/posttraumatische-belastungsstoerung [Stand: 14.06.2022].

2 Kepler Universitätsklinikum: PTBS – Posttraumatische Belastungsstörung: Mit Traumatherapie Lebensqualität wiedererlangen.
URL: https://www.kepleruniklinikum.at/versorgung/departments/psychosomatik/behandlungsschwerpunkte/ [Stand: 14.06.2022].

3 Lesen Sie mehr zum Thema Trauma und Traumabewältigung in unserem Blogbeitrag vom 07.04.2021 „Psychisch erschüttert – Traumata und ihre Bewältigung“ »»

4 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose. Aktualisiert am 02.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/posttraumatische-belastungsstoerung [Stand: 14.06.2022] und
vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung. Veröffentlicht am 19.09.2018.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022].

5 Vgl. Küster, Yvonne: Posttraumatische Belastungsstörung. In: focus-arztsuche.de. Aktualisiert am 20.02.2020.
URL: https://focus-arztsuche.de/magazin/krankheiten/psychische-erkrankungen/posttraumatische-belastungsstoerung-erkennen-und-behandeln [Stand: 14.06.2022].

6 Vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022].

7 Vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022] und
vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/posttraumatische-belastungsstoerung [Stand: 14.06.2022].

8 Vgl. Küster, Yvonne: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://focus-arztsuche.de/magazin/krankheiten/psychische-erkrankungen/posttraumatische-belastungsstoerung-erkennen-und-behandeln [Stand: 14.06.2022].

9 Vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022].

10 Vgl. Küster, Yvonne: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://focus-arztsuche.de/magazin/krankheiten/psychische-erkrankungen/posttraumatische-belastungsstoerung-erkennen-und-behandeln [Stand: 14.06.2022].

11 Vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022].

12 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose. Aktualisiert am 02.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/posttraumatische-belastungsstoerung [Stand: 14.06.2022].

13 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Posttraumatische Belastungsstörung: Therapie. Aktualisiert am 02.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/trauma/traumatherapie [Stand: 14.06.2022].

14 Vgl. Küster, Yvonne: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://focus-arztsuche.de/magazin/krankheiten/psychische-erkrankungen/posttraumatische-belastungsstoerung-erkennen-und-behandeln [Stand: 14.06.2022].

15 Vgl. gi – gesundheitsinformation.de: Posttraumatische Belastungsstörung.
URL: https://www.gesundheitsinformation.de/posttraumatische-belastungsstoerung.html [Stand: 14.06.2022].

Bildhinweis: Adobe Stock

Veröffentlicht am: 13.07.2022