Nächtlicher Schreialarm – die Parasomnie ‚Nachtangst‘

 

Mitten in der Nacht panisch schreiend und um sich schlagend, aber am nächsten Morgen nicht wissend, was sich zugetragen hat – die dahintersteckende Schlafstörung der Nachtangst sorgt für nächtliche Schreckensmomente. Mit einfachen Mitteln kann sie jedoch gut behandelt werden.

Wir alle wissen, wie wichtig erholsamer Schlaf in (individuell) ausreichender Form für die körperliche und psychische Gesundheit ist, denn „[g]uter Schlaf sorgt dafür, dass man sich tagsüber gut fühlt und genug Energie hat, um alles zu erledigen, was man sich vorgenommen hat“1, so der niederländische Coach und Schlafberater Floris Wouterson. Schlafe man hingegen regelmäßig zu wenig oder sei der Schlaf nicht erholsam, „produziert das Immunsystem weniger Abwehrzellen“2, wie Wouterson weiter erklärt. Das mache uns anfälliger für Erkältungen, begünstige auch neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer sowie Diabetes Typ 2 oder Übergewicht und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so seine Ausführungen.3

Gut zu schlafen klingt jedoch einfacher, als es tatsächlich der Fall ist, vor allem wenn Schlafstörungen dahinter stecken. Alleine in Österreich sind von den mehr als 100 bekannten Schlafstörungen (unterteilt in 5 Störungsgruppen)4 15 % bis 35 % der Bevölkerung betroffen.5 Sämtliche unerwünschte Symptome, die im Schlaf auftreten, werden dabei unter den Parasomnien zusammengefasst. Und ein Symptom – das Hochschrecken mitten in der Nacht, begleitet von Angst- bzw. Panikzuständen, die schreiend geäußert werden –6 geht auf den sogenannten Nachtschreck bzw. die Nachtangst, den Pavor nocturnus, zurück.

Schreiendes Erwachen

Diese Form der Schlafstörung „macht sich durch ein plötzliches Aufschrecken in der Nacht bemerkbar. Die Betroffenen werden aus dem Tiefschlaf gerissen, sind aber nicht richtig wach. Es handelt sich somit um eine Aufwachstörung“7, wie Elisabeth Brandauer, Expertin für neurologische Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck, erklärt. Diese Störung ist nicht mit jener Parasomnie des Albtraumes zu verwechseln, denn dieser findet zum einen in der Traumphase statt, zum anderen kann man sich häufig an ihn erinnern.8 Bei der Nachtangst verhält es sich jedoch anders: Zunächst kennzeichnet die Störung ein (teilweises) Aufwachen, welches an intensive Angstgefühle gekoppelt ist und auch häufig mit lautem Schreien einhergeht. Dies geschieht im ersten Drittel der Nacht und damit in der Tiefschlafphase – nicht wie beim Albtraum im letzten Nachtdrittel. Und ein weiteres, wichtiges Merkmal, welches diese Unterscheidung möglich macht, ist die, dass sich Betroffene nicht an das schreiende Aufwachen geschweige denn an etwaige Träume erinnern.9

Spezifische Symptomatik

Des Weiteren wird der Pavor nocturnus von einem erregten Zustand der betroffenen Personen begleitet: Starkes Schwitzen, Herzrasen und eine beschleunigte Atmung sind typische Anzeichen der Parasomnie. Weiters sind die Pupillen geweitet, die Augen weit aufgerissen; Betroffene schlagen oftmals um sich, sind aber nicht ansprechbar. In der Regel dauert eine solche Episode bis zu 15 Minuten; danach legen sich die Personen wieder hin, schlafen weiter und können sich am nächsten Morgen nicht an den unterbrochenen Schlaf erinnern. Zurück bleibt meistens nur ein vages Gefühl von Bedrohung.10

Diese Schlafstörung betrifft in den allermeisten Fällen „etwa ein bis sechs Prozent der Kinder“11, wie Brandauer erklärt. Vor allem im Alter zwischen vier und zwölf Jahren ist diese Parasomnie am stärksten präsent,12 besteht dabei „nur selten bis ins Erwachsenenalter weiter beziehungsweise tritt sie selten auch erst dann auf“13, so die weitere Erläuterung Brandauers.

Ursachenforschung

Bis heute ist noch nicht geklärt, wodurch der Nachtschreck ausgelöst wird. „Es gibt allerdings eine familiäre Häufung. Wenn Eltern schlafwandeln oder unter einem Pavor nocturnus litten, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch ihre Kinder davon betroffen sind“14, wie Brandauer darlegt. Vermehrter (emotionaler) Stress wie der Wechsel vom Kindergarten in die Schule oder ein innerfamiliärer Krankheitsfall, Fiebererkrankungen, laute Geräusche oder Schlafmangel können das Auftreten der Störung ebenfalls begünstigen.15 Nicht ausgeschlossen wird bei Kindern auch eine Reifeverzögerung bzw. -störung im zentralen Nervensystem in Bezug auf die Schlafphasen: Das Gehirn schafft den Übergang vom Tiefschlaf in die Traumphase noch nicht zureichend, wodurch es zu Unterbrechungen in Form dieser Parasomnie kommt.16 Nicht zuletzt kann auch ein verstärktes Auftreten des Pavor nocturnus bei Erwachsenen beobachtet werden, die an psychischen Erkrankungen leiden, beispielsweise an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, einer generalisierten Angststörung sowie an einer Persönlichkeitsstörung.17

Vorgehen im Akutfall und allgemeine Prävention

Erleben Angehörige – ob Eltern oder die*der Partner*in –, wie die betroffene Person mitten in der Nacht schreiend aufwacht und keine Reaktion auf die Umwelt zeigt, kann dies zunächst beängstigend wirken. Am wichtigsten ist es jedoch, die Person nicht aufzuwecken, denn diese wäre sodann verwirrt und orientierungslos. Außerdem könnte das erneute Einschlafen schwerfallen.18 Stephan Eichholz, pädiatrischer Oberarzt und Leiter des Kinderschlaflabors am Städtischen Klinikum Dresden, rät dazu, bei solchen nächtlichen Episoden vor allem darauf zu achten, „dass es [Anm.: das Kind] sich nicht verletzen kann, wenn es zum Beispiel um sich schlägt“19. Ebenso sollten Eltern den Kindern nicht davon erzählen, was sich in der Nacht zugetragen hat, denn „Kinder erinnern sich nicht an die Vorfälle. Darüber zu sprechen kann ihnen aber Angst machen, sodass sie in der Folge vielleicht schlechter einschlafen“20, wie Eichholz weiter ausführt.

Somit steht im Vordergrund, dass Angehörige auf eine Minimierung des Verletzungsrisikos bei betroffenen Personen achten. Vielfach empfohlen wird außerdem das Einhalten von Grundregeln zur Schlafhygiene, um Schlafstörungen und in weiterer Folge um den Pavor nocturnus vorzubeugen. Dazu gehören

  • das Vermeiden von Koffein, Alkohol und schweren Mahlzeiten vor dem Zubettgehen,
  • regelmäßige Sporteinheiten tagsüber, um Stresssymptome zu reduzieren, aber
  • kein Training vor der Nachtruhe,
  • eine Begrenzung der Bildschirmzeit (Computer, Handy etc.) vor dem Schlafen,
  • das Schaffen einer angenehmen Schlafatmosphäre,
  • das Vorbeugen von Schlafmangel sowie die Einhaltung eines Schlaf-Wach-Rhythmus,
  • Entspannungsübungen vor dem Einschlafen zur Reduzierung von Stressfaktoren und
  • Rituale vor dem Zubettgehen.21

Sollten trotz Beachtung der eben angeführten Schlafhygiene-Regeln anhaltende Pavor-nocturnus-Symptome auftreten und lebenseinschränkend wirken, wird die Parasomnie behandlungsbedürftig, wobei eine medikamentöse Behandlung nur in Ausnahmefällen sowie kurzfristig erfolgen würde. Abgeklärt werden sollte dahin gehend eher, ob andere Ursachen wie psychische Belastungen hinter der Schlafstörung stecken, die sodann gezielt behandelt werden können/müssen.22

Grundsätzlich wird jedoch betont, dass der Nachtschreck als Schlafstörung als harmlos eingestuft wird und in vielen Fällen von selbst oder durch die Umsetzung von Schlafhygiene-Tipps sowie durch die Reduzierung von Stress im Alltag verschwindet.23 Halten die Symptome jedoch an oder treten sie erst im Erwachsenenalter auf, sollte ein*e Ärzt*in konsultiert werden, um eventuelle Belastungen aufzudecken und um sie in weiterer Folge zu behandeln. Primär gilt im Falle dieser Parasomnie jedoch, auf eine erholsame Nachtruhe Wert zu legen und die richtige, sichere Umgebung für eine angenehme Schlafenszeit zu schaffen.

 


1 Habich, Irene: „Das A und O sind regelmäßige Bett- und Aufstehzeiten“: Coach erklärt, wie man besser schläft. In: rnd.de. Veröffentlicht am 08.02.2022.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/besser-schlafen-das-a-und-o-sind-regelmaessige-bett-und-aufstehzeiten-SOKOHUMIFBBTPND5XK6NI6P4IU.html [Stand: 01.03.2023].

2 Habich, Irene: „Das A und O sind regelmäßige Bett- und Aufstehzeiten“: Coach erklärt, wie man besser schläft.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/besser-schlafen-das-a-und-o-sind-regelmaessige-bett-und-aufstehzeiten-SOKOHUMIFBBTPND5XK6NI6P4IU.html [Stand: 01.03.2023].

3 Vgl. Habich, Irene: „Das A und O sind regelmäßige Bett- und Aufstehzeiten“: Coach erklärt, wie man besser schläft.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/besser-schlafen-das-a-und-o-sind-regelmaessige-bett-und-aufstehzeiten-SOKOHUMIFBBTPND5XK6NI6P4IU.html [Stand: 01.03.2023].

4 Lesen Sie mehr dazu in unserem Blogbeitrag „Wie man sich bettet …“ vom 11.08.2021 »»

5 Vgl. Mondl, Elisabeth: Schlafstörungen. In: meinmed.at. Veröffentlicht am 04.06.2014.
URL: https://www.meinmed.at/krankheit/schlafstoerungen/1563 [Stand: 01.03.2023].

6 Vgl. Mayer, Geert / Kotterba, Sylvia: Parasomnien im Erwachsenenalter. In: aerzteblatt.de.
URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/43122/Parasomnien-im-Erwachsenenalter [Stand: 01.03.2023].

7 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer. In: meinegesundheit.at. Aktualisiert am 13.11.2020.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

8 Vgl. Senge, Philipp: Nachtschreck: Ursachen und wie du dich richtig verhältst. In: utopia.de. Veröffentlicht am 03.08.2018.
URL: https://utopia.de/ratgeber/nachtschreck-ursachen-und-wie-du-dich-richtig-verhaeltst/ [Stand: 01.03.2023].

9 Vgl. D.R.: Pavor nocturnus. Lexikon der Psychologie. In: spektrum.de.
URL: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/pavor-nocturnus/11266 [Stand: 01.03.2023] und
vgl. Kantonsspital St. Gallen: Verhaltensauffälligkeiten im Schlaf. Parasomnien. In: kssg.ch.
URL: https://www.kssg.ch/schlafzentrum/leistungsangebot/verhaltensauffaelligkeiten-im-schlaf [Stand: 01.03.2023].

10 Vgl. D.R.: Pavor nocturnus. Lexikon der Psychologie.
URL: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/pavor-nocturnus/11266 [Stand: 01.03.2023],
vgl. aponet.de: Pavor nocturnus. In: aponet.de. Aktualisiert am 23.07.2012.
URL: https://www.aponet.de/artikel/pavor-nocturnus-19043 [Stand: 01.03.2023] und
vgl. Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

11 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

12 Vgl. Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

13 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

14 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

15 Vgl. Schmidt-Forth, Andrea: Der Nachtschreck. In: apotheken-umschau.de. Aktualisiert am 14.04.2021.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/familie/entwicklung/kleinkind/der-nachtschreck-796207.html [Stand: 01.03.2023].

16 Vgl. Senge, Philipp: Nachtschreck: Ursachen und wie du dich richtig verhältst.
URL: https://utopia.de/ratgeber/nachtschreck-ursachen-und-wie-du-dich-richtig-verhaeltst/ [Stand: 01.03.2023].

17 Vgl. wissenschaft.de: Parasomnie – unerwünschte Verhaltensweisen während des Schlafs. In: wissenschaft.de. Veröffentlicht am 23.02.2022.
URL: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/parasomnie-unerwuenschte-verhaltensweisen-waehrend-des-schlafs/ [Stand: 01.03.2023].

18 Vgl. Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

19 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

20 Koxeder-Hessenberger, Birgit: Nachtschreck: Schreialarm im Kinderzimmer.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.753625 [Stand: 01.03.2023].

21 Vgl. Rennert, David: Wenn der Schlaf zum Problem wird. In: derstandard.at Veröffentlicht am 23.01.2022.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000132668218/wenn-der-schlaf-zum-problem-wird [Stand: 02.03.2023].

22 Vgl. .R.: Pavor nocturnus. Lexikon der Psychologie.
URL: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/pavor-nocturnus/11266 [Stand: 01.03.2023] und
vgl. aponet.de: Pavor nocturnus.
URL: https://www.aponet.de/artikel/pavor-nocturnus-19043 [Stand: 01.03.2023]

23 Vgl. aponet.de: Pavor nocturnus.
URL: https://www.aponet.de/artikel/pavor-nocturnus-19043 [Stand: 01.03.2023]

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Veröffentlicht am: 15.03.2023