In jeder Lebenslage seelische Herausforderungen bewältigen

 

Erfahrungen in der Kindheit, der Übergang zum Erwachsenwerden, das Gründen einer eigenen Familie und schließlich der wohlverdiente Ruhestand – in all diesen Lebensabschnitten gilt es, die psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten und altersspezifische Krisen zu meistern.

Im Laufe des Lebens durchlaufen wir verschiedenste Phasen, die einen Neuanfang oder Abschluss markieren und von ständigen Veränderungen – positiven Erlebnissen wie auch Krisen – geprägt sind. Damit ist die Psyche unmittelbar an sämtliche Ereignisse und Aufgaben einer jeden Lebensphase gebunden: Während manche Entwicklungen problemlos bewältigt werden können und das seelische Wohlbefinden fördern, stellen andere Abschnitte und Neuerungen hingegen eine große Herausforderung dar und belasten unsere Seele massiv.

Schon in der Pubertät wird unsere Psyche auf die Probe gestellt

Die erste Phase, welche uns physisch und seelisch stark beansprucht, ist jene der Pubertät. Sie bringt durch den Übergang vom Kindes- zum Erwachsenenalter und durch die damit einhergehende körperliche Veränderung allerlei Schwierigkeiten mit sich, die es zu bewältigen gilt: Bislang unbekannte Emotionen und Gedanken müssen verarbeitet werden und auch das Sozialverhalten unterliegt einem Wandel. Im Grunde steht das Suchen und Finden der eigenen Identität im Fokus dieses Lebensabschnittes.1

Dabei entspricht es der Normalität, dass Jugendliche in dieser Phase von Leistungsabfall, verändertem Verhalten, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit geplagt werden. Einsamkeit, sich unverstanden oder alleingelassen fühlen – diese Emotionen sind dabei ständige Begleiter, die zunächst nicht besorgniserregend sind. Jedoch können entsprechende Gefühle zu einem anhaltenden Stimmungstief bis hin zur Depression führen. Auch Aggressionen und eine erhöhte Gewaltbereitschaft, die dann gegeben sind, wenn man sich und seine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen kann, sollten nicht ignoriert, sondern vielmehr mithilfe von Expert*innen wie Ärzt*innen bewältigt werden.2

Und in der Pubertät ist speziell das Risiko, eine Essstörung zu entwickeln, höher als in anderen Lebensphasen: Weil dieser Entwicklungsabschnitt vor allem mit körperlichen Veränderungen einhergeht, empfinden viele dahin gehend Verunsicherung bis hin zu Unzufriedenheit sowie Angst davor, den altersspezifischen Anforderungen nicht zu entsprechen.3 Anzeichen, die auf eine Essstörung hinweisen können, sollten deswegen ernst genommen werden.4

Damit den Risikofaktoren von psychischen Erkrankungen speziell in diesem Lebensabschnitt vorgebeugt werden kann, ist das soziale Netzwerk von großer Bedeutung: Familie, Vertraute und Freund*innen helfen, mit altersbedingten Schwierigkeiten zurechtzukommen. Und man sollte sich auch nicht davor scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um einen positiven Umgang mit den Veränderungen zu erlernen, wodurch die Höhen der Jugendzeit genossen und die Tiefen bestmöglich bewältigt werden können.

Auch im Erwachsenenalter stehen große Herausforderungen bevor

Nach der Pubertät sorgen viele weitere lebenswichtige Ereignisse wie feste Partnerschaften, die erste eigene Wohnung oder der Arbeitsalltag für so manches Auf und Ab. Speziell im Erwachsenenalter markiert jedoch die Geburt des ersten Kindes einen enormen Lebenseinschnitt, der nicht immer mit Freude einhergeht. Denn das Gründen einer Familie stellt zum einen eine Herausforderung für die Partnerschaft an sich dar, zum anderen bringt sie auch häufig finanzielle Sorgen mit sich.5 Vor allem frischgebackene Mütter kämpfen oft mit psychischen Problemen: Symptome wie Traurigkeit, Erschöpfung, Angstgefühle sowie Schlafstörungen und Appetitlosigkeit können Anzeichen einer Postpartalen Depression sein, die im 1. Jahr nach der Geburt des Kindes auftritt. Auch der veränderte Hormonhaushalt nach der Geburt sorgt für entsprechende Symptome sowie für ein Leeregefühl und für Zweifel daran, eine gute Mutter sein zu können. Hierbei ist es vonnöten, das Umfeld – den Partner, die Familie und/oder Freund*innen – durch Gespräche miteinzubeziehen und sich professionelle Hilfe zu holen, beispielsweise bei der/dem Frauenärzt*in oder bei Psychotherapeut*innen.6 Diese Unterstützung ermöglicht es, das Elterndasein aus neuen und positiven Perspektiven zu betrachten.

Die Lebensmitte als Gefahr für die Psyche

Viele stellen sich schließlich im Alter zwischen 40 und 50 Jahren die Frage, was man überhaupt noch vom Leben erwarten kann. Die häufig spöttische Bezeichnung Midlife Crisis drückt jedoch mehr aus als den bloßen Wunsch, sich noch einmal jung zu fühlen: „Viele Menschen sind dann enttäuscht von der Vergangenheit und zugleich wenig hoffnungsvoll für die Zukunft, die zweite Lebenshälfte erscheint vielen geradezu bedrohlich“7, wie die an der Universität Bern tätige Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello erklärt. Man realisiert, dass in Bezug auf Familie und Beruf nicht mehr zahlreiche Möglichkeiten offen stehen, und körperliche Veränderungen – die jugendliche Attraktivität weicht dem reifen Aussehen einer erwachsenen Person – werden in dieser Phase vermehrt wahrgenommen.8

Geraten wird jedoch dazu, die positiven Aspekte dieses Lebensabschnittes zu fokussieren: Man steht mitten im Leben, zahlreiche berufliche Herausforderungen wurden bereits bewältigt und auch die finanzielle Lage hat sich in der Regel stabilisiert.9 Außerdem blickt man auf eine Vielzahl von Erlebnissen zurück, durch welche man nun gelassener und selbstsicherer ist.10 Und nach diesem emotionalen Tief steigt die ‚Glückskurve‘ auch wieder:11 „Manche Tür mag im mittleren Alter zwar bereits verschlossen sein, aber man findet immer Wege“12, wie Perrig-Chiello resümiert.

Und was kommt in der Pension?

Dann nimmt schließlich die Freude auf die nahende Pension stetig zu: Man freut sich darauf, nach jahrelangem beruflichen Alltag endlich Zeit für all die Dinge aufzubringen, die man so lange nicht tun konnte. Doch nicht zu unterschätzen ist der sogenannte ‚Pensionsschock‘: Hat man das Leben immerfort strukturiert und den Beruf noch dazu gerne ausgeführt, durchlaufen viele nun ein seelisches Tief, welches in eine Depression münden kann. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Pension als letzter Lebensabschnitt wahrgenommen wird, womit gleichzeitig die Angst vor altersbedingten gesundheitlichen Problemen bis hin zum Tod steigt.13

Expert*innen empfehlen deswegen eine rechtzeitige Vorbereitung auf diese Lebensphase: Der ehemalige Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Fakultät für Gesundheit und Medizin der Donau-Universität Krems, Anton Leitner, schlägt eine klare Planung vor, die die Strukturierung des Tages beinhaltet.14 Und auch der Wiener Burkhard Heidenberger, Trainer für Arbeitsmethodik und Zeitmanagement, rät Folgendes, um dem ‚Pensionsschock‘ vorzubeugen: „Fragen Sie sich, was Sie im Ruhestand alles verwirklichen wollen. Führen Sie am besten ein Buch, in dem Sie alle Ihre Vorhaben festhalten, und ergänzen Sie es laufend mit neuen Ideen. Die Arbeit an diesem Buch steigert die Vorfreude“15.

Unser seelisches Wohlbefinden schwankt gemäß den Ausführungen im Laufe unseres Lebens auf natürliche Art und Weise. Von Wichtigkeit ist es jedoch, ein anhaltendes Tief – unabhängig vom jeweiligen Lebensabschnitt – ernst zu nehmen und professionelle Hilfe hinzuzuziehen, wenn die Unterstützung des sozialen Netzwerkes nicht mehr ausreicht. Mit emotionaler Stabilität in den einzelnen Phasen des Lebens lassen sich Herausforderungen und Krisen bestmöglich meistern, um schlussendlich auch jedes neue Ereignis in den diversen Lebensabschnitten genießen zu können.

 


1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psyche & Pubertät. Aktualisiert am 19.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/kids-teens/pubertaet/pubertaet-psyche [Stand: 07.01.2022].

2 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psyche & Pubertät.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/kids-teens/pubertaet/pubertaet-psyche [Stand: 07.01.2022].

3 Vgl. Burgard-Arp, Nora: „Fast immer fängt es damit an, dass Kinder alle Süßigkeiten weglassen“. In: zeit.de. Veröffentlicht am 12.06.2019.
URL: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-05/magersucht-bulimie-anorexie-kinder-jugendliche-erkrankung [Stand: 07.01.2022].

4 Lesen Sie mehr zum Thema Essstörungen in unserem Blogbeitrag “Von Magersucht bis Binge Eating – die komplexen Gesichter von Essstörungen” »» vom 07.07.2021.

5 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Lebensübergänge: Von der Pubertät bis ins Alter. Aktualisiert am 14.05.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/psychische-belastungen/lebensuebergaenge [Stand: 07.01.2022].

6 Vgl. Fleischer, Marie-Thérèse: Postpartale Depression. In: minimed.at. Veröffentlicht am 20.05.2015.
URL: https://www.minimed.at/medizinische-themen/psyche/postpartal-depression/ [Stand: 07.01.2022].

7 Simon, Claus Peter: Krise in der Lebensmitte: Wie der Aufbruch gelingen kann. In: GEO WISSEN NR. 62/2018.
URL: https://www.geo.de/magazine/geo-wissen/19913-rtkl-midlife-crisis-warum-es-nach-der-lebensmitte-wieder-aufwaerts-geht [Stand: 07.01.2022].

8 Vgl. Schäfer, Susanne: Das Tal des Lebens. In: zeit.de. Veröffentlicht am 05.06.2012.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/Midlife-Crisis/komplettansicht [Stand: 07.01.2022].

9 Vgl. Schäfer, Susanne: Das Tal des Lebens.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/Midlife-Crisis/komplettansicht [Stand: 07.01.2022].

10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Midlife Crisis als Chance. Aktualisiert am 31.05.2017.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/psychische-belastungen/midlife-crisis [Stand: 07.01.2022].

11 Vgl. Schäfer, Susanne: Das Tal des Lebens.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/Midlife-Crisis/komplettansicht [Stand: 07.01.2022].

12 Schäfer, Susanne: Das Tal des Lebens.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/04/Midlife-Crisis/komplettansicht [Stand: 07.01.2022].

13 Vgl. Zauchinger, Robert: Pensionsschock: Schock, lass nach! In: meinegesundheit.at. Veröffentlicht im August 2016.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.767465 [Stand: 10.01.2022].

14 Vgl. Zauchinger, Robert: Pensionsschock: Schock, lass nach!
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.767465 [Stand: 10.01.2022].

15 Zauchinger, Robert: Pensionsschock: Schock, lass nach!
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.767465 [Stand: 10.01.2022].

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Veröffentlicht am: 26.01.2022