Zurück ins Leben – Berufliche und soziale Rehabilitation als Chance für einen Neustart

 

Psychische Erkrankungen sind oft ein Hindernis, sozial integriert zu bleiben und beruflich wieder durchzustarten. Entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen helfen aber dabei, wieder am sozialen und beruflichen Leben teilzuhaben.

Mit der Diagnose ‚Psychische Erkrankung‘ fällt es vielen Betroffenen schwer, den Beruf weiterhin in gewohnter Form auszuüben. Durch eine eingeschränkte bzw. nicht mehr gegebene Arbeitsfähigkeit geht nicht nur ein wesentlicher Faktor zur strukturierten Bestreitung des Alltages verloren, sondern auch der Rückzug vom gesellschaftlichen Leben ist ein schwerwiegendes Merkmal einer solchen Erkrankung. Die Folge: Ohne eine erfüllende Aufgabe und ohne Unterstützung von Vertrauten ist eine Genesung umso schwieriger, weil die psychische Erkrankung bestimmend ist.

Es ist also notwendig, schnellstmöglich zu handeln, um gesund zu werden und um am Leben teilzuhaben.

Überraschend scheint es nämlich, dass mit medizinischen Rehamaßnahmen selten abgewartet wird, um sich beispielsweise schnellstens von Operationen, nach Unfällen oder von Krankheiten wieder zu erholen. Menschen, die jedoch aufgrund einer psychischen Erkrankung aus dem Arbeitsleben (vorübergehend) ausgeschieden sind, zögern oftmals, unterstützende Angebote für die berufliche und soziale (Wieder-)Eingliederung anzunehmen. Dabei wäre gerade dieser Schritt von großer Wichtigkeit, um „eine möglichst frühe Rückkehr ins berufliche, wirtschaftliche und gemeinschaftliche Leben zu ermöglichen“1, so der PVA-Chefarzt Dr. Martin Skoumal.

Warum werden entsprechende Maßnahmen nicht häufiger in absehbarer Zeit begonnen?

Wie bereits im Blogbeitrag Voller Vorurteile – Das Stigma ‚Psychische Krankheit‘ »» vom 10.02. näher ausgeführt, sehen sich Menschen mit psychischen Erkrankungen mit einer anhaltenden Stigmatisierung konfrontiert. Mit der Krankheit offen umzugehen scheint deswegen auch ein großer Schritt – häufig auch ein zu großer. Dabei kann eine berufliche und soziale Rehabilitation und (Re-)Integration auf zweierlei Arten förderlich sein: Angebote dieser Art fokussieren nicht nur die Teilhaben am Leben, sondern auch eine langfristige gesundheitliche Stabilisierung.

Und was bewirkt eine Rehabilitationsmaßnahme im Detail?

Eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation intendiert, Betroffene dabei zu unterstützen, „ihren früheren oder, wenn nicht möglich, einen neuen Beruf auszuüben, und damit eine dauerhafte Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen“2. In dieser Definition wird der Fokus auf Arbeit gelegt, was von großer Bedeutung ist: Arbeit schafft Struktur im Alltag und kennzeichnet sich durch ein gemeinsames Ziel, fördert die soziale Interaktion, ermöglicht die Selbstverwirklichung und ist in weiterer Folge identitätsstiftend. Zudem ist das Ausüben eines Berufes auch gesellschaftlich verankert und nicht zuletzt – eine Arbeitsstelle ermöglicht die Finanzierung des Lebensstils. Fehlt nun dieser wichtige Aspekt im Leben, geht damit bereits eine gewisse soziale Exklusion einher. Menschen mit psychischen Erkrankungen trifft der Verlust der Arbeitsstelle bzw. die Arbeitsunfähigkeit im Allgemeinen noch stärker, denn so müssen sie sich nicht nur mit ihrer gesundheitlichen Situation und notwendigen Behandlung der Krankheit auseinandersetzen, sondern auch damit, wieder im Leben Fuß zu fassen.

An diesem Punkt setzen nun die Rehabilitationsmaßnahmen an: Trotz Erkrankung sollen Betroffene ihre Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten, indem sie niederschwellige Arbeitsangebote in Anspruch nehmen. Angepasst an individuelle Stärken und Schwächen verrichten sie zu einem bestimmten Stundenausmaß, welches an die persönlichen Bedürfnisse angepasst ist, sinnstiftende Tätigkeiten in bekannten oder auch in neuen Arbeitsfeldern. Gleichzeitig wird mithilfe von Fachpersonen am Empowerment – an der Entfaltung der persönlichen Kompetenzen – gearbeitet und ein adäquater Umgang mit der Erkrankung erlernt. Ziel einer solchen Maßnahme zur Rehabilitation ist neben der (Re-)Integration demnach vor allem die gesundheitliche Stabilisierung und in weiterer Folge die selbstständige Gestaltung des Alltages trotz psychischer Krankheit.

Wenn es eine solche aktive Tagesgestaltung gibt, dann wird auch automatisch die soziale Komponente gefördert.

Denn durch das Ausüben eines Berufes kommt man in den meisten Fällen mit anderen Personen in Kontakt, sodass ein soziales Netzwerk entsteht, das auch über das Berufliche hinausgehen kann. Somit können berufliche Rehabilitationsmaßnahmen auch immer als sozial-gesellschaftliche Hilfestellungen gesehen werden.

Aber nicht immer ist ein solches Angebot auch zielführend, denn je nach Schweregrad der Erkrankung sind Betroffene aufgrund einer anhaltenden Arbeitsunfähigkeit auch nicht dazu in der Lage, Tätigkeiten im Rahmen der beruflichen Reha auszuführen. Um zu ermitteln, welche Maßnahme für Betroffene von individuellem Nutzen sind, werden in einem diagnostischen Verfahren die persönlichen Bedürfnisse in Erfahrung gebracht. Neben der beruflichen Rehabilitation stehen nämlich noch weitere Angebote vor allem zur sozialen Rehabilitation zur Verfügung, die eine sinnvolle Beschäftigung und die Interaktion mit anderen in den Vordergrund stellen, so beispielsweise tagesstrukturierende Einrichtungen oder betreute Wohngemeinschafen.

Und durch solche vielfältigen Angebote soll die Krankheit nicht mehr beherrschend sein.

Wenn nämlich sinnvolle und erfüllende Tätigkeiten ausgeübt werden und Kontakt zu anderen besteht, wird einer sozialen Isolation vorgebeugt, womit auch die Krankheit nicht mehr das bestimmende und vorherrschende Thema ist. Auf diese Art und Weise lernen Betroffene auch, mit der Krankheit besser umzugehen, und eignen sich auch Bewältigungsmechanismen an, die sodann im Zuge des Empowerment selbstständig angewandt werden können. Es wird also ein Prozess in Gang gesetzt, der weit über eine Teilhabe hinausgeht – man entwickelt neue Kompetenzen und Fähigkeiten, um einerseits aktiv zu werden (sei es beruflich oder im Rahmen einer anderen, niederschwelligen Maßnahme) und um andererseits nicht mehr über eine Diagnose definiert zu werden.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, solche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Dadurch können sich Betroffene hinsichtlich ihrer Stärken und Fähigkeiten weiterentwickeln und in Zusammenarbeit mit Fachkundigen neue Perspektiven erlangen, wie Zukünftiges gestaltet werden möchte bzw. könnte. Und durch die Förderung der sozialen Kontakte wird außerdem einer Exklusion vorgebeugt, sodass Betroffene ihre Krankheit nicht alleine bewältigen müssen, denn eine psychische Erkrankung darf kein Grund dafür sein, nicht mehr aktiv am Leben teilnehmen zu können.

 


1 O.A.: Deutlich weniger Anträge für Rehabilitationen während Corona-Pandemie. In: KURIER.at. Veröffentlicht am: 26.01.2021.
URL: https://kurier.at/cm/deutlich-weniger-antraege-fuer-rehabilitationen-waehrend-corona-pandemie/401164782 [Stand: 28.01.2021].

2 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Berufliche Rehabilitation. Zuletzt aktualisiert am 05.02.2018.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/gesundheitsleistungen/kur-reha/berufliche-rehabilitation [Stand: 28.01.2021].

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Veröffentlicht am: 17.02.2021