Seelisch wohltuender Tratsch und Klatsch

 

Das Tratschen und Lästern über andere ist bei einer Unterhaltung kaum wegzudenken. Richtig dosiert fördert es sogar die psychische Gesundheit.

Wir alle verurteilen es, wenn wir bemerken, wie über Mitmenschen gelästert wird, über deren Kleidung, deren scheinbar merkwürdiges Verhalten, über deren Aussehen. Es sei, wie die in Salzburg lebende Psychologin Karoline Verena Greimel sagt, zum einen zwar verpönt, aber „zum anderen tut es jeder, und das sehr gerne“1.2 Denn wir alle – obwohl wir Klatsch und Tratsch missbilligen – lästern über andere, was laut Jan Engelmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie auch nicht verwerflich ist: „Lästern ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft“3.

Lästern vs. Tratschen

Der Grund, warum wir uns dem Tratsch und Klatsch aktiv und passiv nicht entziehen können und wollen, liegt darin, dass das Lästern „aus dem menschlichen Bedürfnis nach Zugehörigkeit“4 entstehe, erklärt der amerikanische Psychologe Nicholas DiFonzo. Das Tratschen sei dort anzutreffen, „wo jemand versucht, soziale Netze zu knüpfen, zu verändern oder zu festigen“5. Und das Tratschen muss dabei nicht immer negativer Natur sein, sondern beschreibt im weitesten Sinne lediglich einen neutralen Informationsaustausch über nicht anwesende Personen. Darunter fällt beispielsweise auch eine Unterhaltung über ein tolles Outfit eines Kollegen oder über die hervorragenden Kochkünste einer Bekannten.6

Tratsch verbindet

Und ein solcher Tratsch und Klatsch ist wesentlicher Bestandteil unserer täglichen Interaktionen, denn Untersuchungen zeigten auf, dass ein Gespräch zu ca. 60 % aus Themen wie Politik, Sport oder aus persönlichen, praktischen und technischen Erzählungen besteht, während 40 % dem Reden über andere Personen gewidmet werden.7 Warum unterhalten wir uns aber so gerne über andere? „Wenn wir zusammensitzen und uns über Dritte unterhalten, dann stellt das auch eine Beziehung zwischen uns und dem Zuhörer her. Beide kennen in der Regel die Person, über die sie reden, interessieren sich für sie und tauschen sich über sie aus“8, erläutert die an der EBS Universität in Oestrich-Winkel tätige Professorin für Leadership Myriam Bechtoldt. Dabei geht es meistens nicht darum, andere Personen herabzuwürdigen; das Tratschen dient hierbei vielmehr als verbindendes Element, das außerdem unsere Neugier und den Drang nach neuen Informationen stillt.9 Zudem unterstützt das Lästern das Gemeinwohl: „Wenn Gossip dazu dient, zu verhindern, dass andere ausgebeutet werden, sollten wir uns nicht schuldig fühlen“10, sagt der an der Universität von Toronto lehrende Professor für organisatorisches Verhalten Matthew Feinberg. In diesem Fall unterstützt Tratsch dabei, vor einem manipulativen, inkorrekten Verhalten anderer zu warnen, was wiederum die Verbundenheit zu den Mittratschenden steigert. Zusammenfassend bedeutet das also: „Auf diese Weise verstärken Klatsch und Tratsch unsere Freundschaften und Allianzen“11, so DiFonzo.

Balsam für die Seele

Und das Tratschen und Lästern haben sogar positive Auswirkungen auf uns: „Wer […] gut tratschen kann, hat meistens auch eine hohe soziale Kompetenz“12, sagt Greimel. Den Ärger mittels des Lästerns kundzutun, verhilft außerdem dazu, das eigene psychische Befinden zu verbessern; des Weiteren wurde durch eine Studie gezeigt, dass offenkundiges negatives Benehmen im Allgemeinen reduziert wird. Nicht zuletzt sorgt das Tratschen für eine Steigerung des Selbstwertes, indem über die Missgeschicke anderer berichtet wird. Das ermöglicht zugleich eine persönliche Entwicklung, denn wir versuchen sodann selbst, ebendiesen Fauxpas zu vermeiden.13 Umgekehrt sind Personen, die wenig oder gar nicht über andere tratschen, oftmals zu wenig in ein soziales Gefüge eingebettet und häufig Einzelgänger*innen.14

Zu viel des Guten

Regelmäßiges Lästern bringt also zahlreiche Vorteile mit sich, doch auch dabei kann man schnell über das Ziel hinausschießen: „Wenn ich immer jemanden abwerten muss, damit ich größer bin, merken die anderen das sehr wohl“15, betont Greimel. Somit kann zu häufiges Lästern schädlich für das Ansehen der tratschenden Person sein. Einfaches Tratschen wird sodann zu einer auffälligen Form der verbalen Aggression.16 Und ständiges Herabwürdigen anderer kann gemäß Studien Indikator für ein unsoziales, narzisstisches Verhalten und weitere negative Charaktereigenschaften sein, was auch von den Mitmenschen wahrgenommen wird. Außerdem leiden Lästermäuler häufiger an einem eher niedrigeren Selbstbewusstsein sowie an Depressionen.17

Sofern das Tratschen und Lästern demnach nicht in extremem Maße praktiziert wird, ist es eine willkommene Kommunikationsform, die nicht nur für soziale Integration und für ein Gemeinschaftsgefühl sorgt, sondern auch Balsam für die Seele ist. Und weil jede*r von uns hin und wieder über andere lästert, sollte dieser wichtige Bestandteil einer Unterhaltung nicht im Allgemeinen missbilligend betrachtet werden – vor allem deswegen, weil sich dem Lästern niemand zur Gänze entziehen kann/wird.

 


1 Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 23.05.2018. URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

2 Vgl. Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut. URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

3 Hauschild, Jana: Wie Lästern Menschen verbindet. In: spiegel.de. Veröffentlicht am 16.05.2017. URL: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/laestern-schmierstoff-zwischen-menschen-a-1147818.html [Stand: 28.02.2024].

4 Voss, Jens: Der Watercooler-Effekt: Warum Lästern gut ist. In: nationalgeographic.de. Veröffentlicht am 24.02.2023. URL: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/02/der-watercooler-effekt-warum-laestern-gut-ist [Stand: 28.02.2024].

5 Voss, Jens: Der Watercooler-Effekt: Warum Lästern gut ist.
URL: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/02/der-watercooler-effekt-warum-laestern-gut-ist [Stand: 28.02.2024].

6 Vgl. Hauschild, Jana: Reden ist Kleister. In: psychologie-heute.de. Veröffentlicht am 06.11.2020.
URL: https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/40847-reden-ist-kleister.html [Stand: 28.02.2024].

7 Jiménez, Fanny: Warum Lästern für uns lebensnotwendig ist. In: welt.de. Veröffentlicht am 19.05.2011.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article13381508/Warum-Laestern-fuer-uns-lebensnotwendig-ist.html [Stand: 28.02.2024].

8 Hauschild, Jana: Reden ist Kleister.
URL: https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/40847-reden-ist-kleister.html [Stand: 28.02.2024].

9 Vgl. Hauschild, Jana: Reden ist Kleister.
URL: https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/40847-reden-ist-kleister.html [Stand: 28.02.2024].

10 Hammer, Mirja: Warum lästern wir so gern? In: stern.de. Veröffentlicht am 20.07.2015.
URL: https://www.stern.de/gesundheit/darum-sind-wir–wie-wir-sind-warum-laestern-wir-so-gern–6349026.html [Stand: 28.02.2024].

11 Voss, Jens: Der Watercooler-Effekt: Warum Lästern gut ist.
URL: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2023/02/der-watercooler-effekt-warum-laestern-gut-ist [Stand: 28.02.2024].

12 Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

13 Vgl. Stöcker, Elsa: Warum Menschen lästern und andere schlecht machen: Das sagt die Psychologie. In: praxistipps.focus.de. Veröffentlicht am 18.06.2021.
URL: https://praxistipps.focus.de/warum-menschen-laestern-und-andere-schlecht-machen-das-sagt-die-psychologie_133694 [Stand: 28.02.2024] und
vgl. Hauschild, Jana: Wie Lästern Menschen verbindet.
URL: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/laestern-schmierstoff-zwischen-menschen-a-1147818.html [Stand: 28.02.2024].

14 Vgl. Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

15 Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

16 Vgl. Eichinger, Anja Pia: Warum uns Tratschen und Klatschen guttut.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000080175790/warum-uns-tratschen-und-klatschen-guttut [Stand: 28.02.2024].

17 Vgl. Stöcker, Elsa: Warum Menschen lästern und andere schlecht machen: Das sagt die Psychologie. In: praxistipps.focus.de. Veröffentlicht am 18.06.2021.
URL: https://praxistipps.focus.de/warum-menschen-laestern-und-andere-schlecht-machen-das-sagt-die-psychologie_133694 [Stand: 28.02.2024].

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Veröffentlicht am: 17.04.2024