Nichts verpassen, und doch alles versäumen – FOMO

 

Soziale Medien können ein unterhaltsamer Zeitvertreib sein, jedoch auch dafür sorgen, dass man das Gefühl entwickelt, viel zu versäumen, sowohl im realen Leben als auch online – und das mit Folgen für die psychische Gesundheit.

Lieber der Tanzabend mit Freund*innen oder die Filmpremiere mit der Familie? Und wenn aber der Restaurantbesuch im neu eröffneten Lokal in der Stadt doch die bessere Wahl wäre? So manches Mal können uns die vielfältigen Möglichkeiten, unsere Freizeit zu gestalten, überfordern und regelrecht Stress hervorrufen.1 Darunter leidet sodann unser psychisches Wohlbefinden, denn wenn Freizeit nicht mehr als Erholung vom Alltag genutzt werden kann, ruft dies im schlimmsten Fall Burnout-Symptome bis hin zu Depressionen hervor. Und auch auf andere Art und Weise kann der Faktor Freizeit die seelische Balance aus dem Gleichgewicht bringen, nämlich dann, wenn die Angst vorherrschend wird, etwas zu verpassen – zusammengefasst unter dem Begriff FOMO (fear of missing out).

Die Perfektion der Freizeitgestaltung

Bekannt sei die Begrifflichkeit durch die Idee geworden, „ich muss von einem Club zum nächsten springen, überall dabei sein“2, erklärt der deutsche Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt. Doch seit der Corona-Pandemie hat sich der Trend zu einer regelrechten Freizeit-Stressfalle entwickelt: Der Begriff FOMO beschreibt heutzutage vor allem die Angst, an sozialen und real stattfindenden Erlebnissen und Ereignissen nicht teilzunehmen, die das Leben bereichern könnten, womit Gefühle, etwas zu verpassen, vorherrschend werden. Hervorgerufen werden diese Sorgen dadurch, dass man vorwiegend über soziale Netzwerke erfährt, wie andere Personen glamourösere und aufregendere Freizeitaktivitäten betreiben, es im Generellen so scheint, als würden sie ein erfüllteres Leben führen als man selbst. Neben dem Vergleich untereinander ist demnach somit auch eine intensive Social-Media-Nutzung wesentlicher Bestandteil des FOMO-Phänomens. Das Paradoxe daran: FOMO-Betroffene können nicht damit aufhören, ebendiese vermeintlich glücklicheren Tätigkeiten der Personen mitzuverfolgen, und entwickeln in diesem Zusammenhang eine regelrechte Social-Media-Sucht.3

Folgen für das seelische Gleichgewicht

Neben diesem Online-Suchtverhalten kann FOMO weitere Folgen für die psychische Gesundheit mit sich bringen, weswegen sich hinter der Begrifflichkeit auch eine ernstzunehmende soziale Angst verbirgt – die Angst, etwas zu verpassen –, die das Selbstbewusstsein verringern und Selbstzweifel verstärken kann.4 Deswegen ist es wichtig, veränderte Verhaltensweisen dahin gehend aufmerksam zu betrachten bzw. zu erkennen, wann man Gefahr läuft, ernsthaft krank zu werden:5

  • Das Smartphone ist ständig in Reichweite, um die Social-Media-Kanäle zu durchforsten, weswegen der Drang, online zu sein, vorherrschend ist. Befindet sich das Handy nicht in unmittelbarer Nähe, reagieren Betroffene aggressiv.
  • Gefühle von Traurigkeit und Neid stellen sich beim Betrachten von Social-Media-Beiträgen ein, vor allem deswegen, weil man selbst nicht Teil der scheinbar makellosen Lebenswelt anderer ist.
  • Man geht einer Vielzahl von Aktivitäten nach und tut dies über die sozialen Medien kund. Der Genuss des Augenblicks geht dabei aber verloren. Gleichzeitig hat man das Gefühl, ein anderes Event zu verpassen, wodurch eine innere Unruhe gegeben ist.

Diese Verhaltensweisen erzeugen eine ausgeprägte Stresssymptomatik und depressive Verstimmungen; nicht zuletzt können Einsamkeitsgefühle in Erscheinung treten. Aufgrund des ständigen Drangs, online sein zu müssen, leiden die Betroffenen an einer verminderten Konzentration sowie an einer verringerten Produktivität. Schlafprobleme nehmen zu, und somit sind Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schweißausbrüche weitere Anzeichen, mit denen FOMO-Betroffene kämpfen. Werden außerdem berufliche und soziale Verpflichtungen vernachlässigt, so wird ein kontrollierter und therapeutisch begleiteter Social-Media-Entzug notwendig.6

Sich in der Freude üben, etwas zu verpassen

Bemerkt man für sich zwar eine exzessive Social-Media-Nutzung gepaart mit der Angst, etwas zu verpassen, aber sind die Symptome noch nicht lebenseinschränkend, dann wird dazu geraten, sich darin zu üben, bewusst Social-Media-Aktivitäten zu verringern, Events auszulassen und sich der Gegenbewegung zuzuwenden, JOMO (Joy of missing out; Freude, etwas zu verpassen): „ „JOMO“ […] ist die logische Konsequenz von FOMO“7, sagt die Psychotherapeutin Ines Gstrein vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie. „Wenn ich erkenne […], dass mir auch die 37. Party nichts bringt, dann kann ich sie auch mal bleiben lassen“8, sagt sie. „Im Wesentlichen geht es um die Frage: Was macht mich satt: Sind das 57 Partys, sind das 1.000 Likes oder 1 Gespräch?“9, wie sie weiter ausführt. Bei JOMO geht es also darum, sich selbst wieder mehr Ruhe und Zeit zu gönnen, dabei digitale Pausen einzulegen, sich wieder mehr mit sich selbst zu beschäftigen – ein Buch lesen, alleine ein Restaurant besuchen, spazieren gehen – und so Abstand vom schnelllebigen Alltag sowie von unpersönlichen sozialen Medien zu gewinnen.10

Was einfach klingt, ist für FOMO-Betroffene jedoch nicht so leicht umsetzbar: „[D]ie schrittweise Abstinenz von Smartphone und anderen Bildschirm-Medien führt bei vielen zuerst zu Stresssymptomen. Davon soll man sich aber bitte nicht entmutigen lassen, die Bildschirmzeit zu reduzieren“11, wie die in Innsbruck tätige Klinische Psychologin Johanna Constantini erklärt. Denn Durchhalten lohne sich,12 sagt sie: „Man erlebt Entspannung, Gelassenheit und auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl“13. Konkret sollte man sich Offline-Zeiträume schaffen, Pop-up-Benachrichtigungen ausstellen und das Smartphone sodann gezielt beiseitelegen: „Gemeinsame Aktivitäten mit der Familie oder dem Freundeskreis kann helfen, offline zu bleiben“14, führt Constantini beispielhaft an.15 „Absprachen, die von allen eingehalten werden – zum Beispiel kein Handy beim Essen – verstärken das Ganze zusätzlich. Wer konkrete Tagespläne macht und spezielle Internetzeiten schriftlich festlegt, ist weniger versucht, sich online zu verlieren“16, wie sie außerdem erklärt. Auch das Ausüben von geliebten Hobbys, die durch die intensive Social-Media-Nutzung vernachlässigt wurden, hilft dabei, wieder zur Ruhe zu kommen.17 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, sich wieder jenen Aktivitäten zuzuwenden, die Freude bereiten, unabhängig von ihrem Glanz- und Glamour-Faktor.

Mit diesen Tipps läuft man dann auch nicht Gefahr, ernsthafte psychische Probleme durch FOMO zu entwickeln, verlagert außerdem das Leben wieder in ein reales Setting und genießt soziale Kontakte intensiver und ohne Ablenkung. Denn klar ist: Durch exzessive Online- bzw. Social-Media-Zeiten verpasst man ganz sicher das reale Leben.

 


1 Tipps zur Vorbeugung von Freizeitstress finden Sie in unserem Blogbeitrag Stressfalle: Freizeit »» vom 18.12.2024.

2 Huber, Ortrun: Warum ihr keine Angst haben solltet, etwas zu verpassen. In: ardalpha.de. Veröffentlicht am 07.02.2024.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/freizeit-stress-freizeitstress-fomo-angst-verpassen-erholung-100.html [Stand: 30.07.2025].

3 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: FOMO: Was kann man gegen die Angst, etwas zu verpassen, tun? In: aok.de. Veröffentlicht am 13.10.2021.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/jomo-gegen-fomo-tipps-gegen-die-fear-of-missing-out/ [Stand: 30.07.2025],
vgl. Huber, Ortrun: Warum ihr keine Angst haben solltet, etwas zu verpassen.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/freizeit-stress-freizeitstress-fomo-angst-verpassen-erholung-100.html [Stand: 30.07.2025] und
vgl. Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt: FOMO – Fear of missing out. In: deine-gesundheitswelt.de.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/balance-ernaehrung/fomo-fear-of-missing-out [Stand: 30.07.2025].

4 Vgl. Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt: FOMO – Fear of missing out.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/balance-ernaehrung/fomo-fear-of-missing-out [Stand: 30.07.2025].

5 Vgl. Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt: FOMO – Fear of missing out.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/balance-ernaehrung/fomo-fear-of-missing-out [Stand: 30.07.2025].

6 Vgl. Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt: FOMO – Fear of missing out.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/balance-ernaehrung/fomo-fear-of-missing-out [Stand: 30.07.2025].

7 Bauer, Anna-Maria: Jomo: Wieso wir endlich wieder nichts tun dürfen. In: freizeit.at. Veröffentlicht am: 22.05.2024.
URL: https://freizeit.at/zeitgeist/jomo-was-ist-das-trend-fomo/402903358 [Stand: 31.07.2025].

8 Bauer, Anna-Maria: Jomo: Wieso wir endlich wieder nichts tun dürfen.
URL: https://freizeit.at/zeitgeist/jomo-was-ist-das-trend-fomo/402903358 [Stand: 31.07.2025].

9 Bauer, Anna-Maria: Jomo: Wieso wir endlich wieder nichts tun dürfen.
URL: https://freizeit.at/zeitgeist/jomo-was-ist-das-trend-fomo/402903358 [Stand: 31.07.2025].

10 Neutsch, Juliane: Jomo: Das steckt hinter dem Trend. In: praxistipps.focus.de. Veröffentlicht am 07.09.2023.
URL: https://praxistipps.focus.de/jomo-das-steckt-hinter-dem-trend_121139 [Stand: 30.07.2025].

11 carpe diem: JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen. In: uniqa.at. Veröffentlicht am 03.05.2022.
URL: https://www.uniqa.at/versicherung/carpediem/jomo-mehr-gelassenheit-durch-digitale-pausen.html [Stand: 31.07.2025].

12 Vgl. carpe diem: JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen.
URL: https://www.uniqa.at/versicherung/carpediem/jomo-mehr-gelassenheit-durch-digitale-pausen.html [Stand: 31.07.2025].

13 carpe diem: JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen.
URL: https://www.uniqa.at/versicherung/carpediem/jomo-mehr-gelassenheit-durch-digitale-pausen.html [Stand: 31.07.2025].

14 carpe diem: JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen.
URL: https://www.uniqa.at/versicherung/carpediem/jomo-mehr-gelassenheit-durch-digitale-pausen.html [Stand: 31.07.2025].

15 Vgl. Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt: FOMO – Fear of missing out.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/balance-ernaehrung/fomo-fear-of-missing-out [Stand: 30.07.2025].

16 carpe diem: JOMO: Mehr Gelassenheit durch digitale Pausen.
URL: https://www.uniqa.at/versicherung/carpediem/jomo-mehr-gelassenheit-durch-digitale-pausen.html [Stand: 31.07.2025].

17 Vgl. Huber, Ortrun: Warum ihr keine Angst haben solltet, etwas zu verpassen.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/freizeit-stress-freizeitstress-fomo-angst-verpassen-erholung-100.html [Stand: 30.07.2025]

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Veröffentlicht am: 06.08.2025