Kulturkonsum für mehr seelische Balance

 

An einer kulturellen Veranstaltung teilzunehmen, bringt nicht nur Spaß, denn auch die psychische Gesundheit profitiert von Aktivität dieser Art enorm. Es lohnt sich also, den Veranstaltungskalender im Blick zu behalten.

Eine Theateraufführung oder ein Museumsbesuch, ein Film im Kino, eine Kunstausstellung oder ein Konzert – das kulturelle Angebot ist schier unendlich und verspricht je nach persönlichen Vorlieben viel Spaß und Freude. Daran, dass solche Events einen wesentlichen gesundheitlichen Vorteil mit sich bringen und so nicht nur primär Teil einer erfüllenden und aufregenden Freizeitgestaltung sind, denken nur die wenigsten, doch mehrere Untersuchungen belegen: Die Nutzung des Kunst- und Kulturangebotes wirkt sich positiv auf das körperliche, vor allem aber auf das psychische Wohlbefinden aus.

Allumfassende Gesundheit

Durch das zunehmende Interesse an diesem Themenbereich und die deswegen durchgeführten Studien konnte bereits festgestellt werden, dass mehrere physische und seelische Ebenen durch den Besuch von Kulturveranstaltungen positiv angesprochen bzw. aktiviert werden. Auch die soziale Gesundheit sowie Faktoren, die zur Steigerung der eigenen seelischen Widerstandskraft – Resilienz – beitragen, werden durch die Nutzung des Kunst- und Kulturangebotes offenbar positiv beeinflusst.1 Doch woran liegt dies genau?

Steigerung des Kohärenzgefühls

Im Allgemeinen tragen Besuche von Kunst- und Kulturevents dazu bei, den eigenen Kohärenzsinn zu steigern. Dies bedeutet im Detail, dass zum Ersten das Vertrauen dahin gehend gestärkt wird, das Dasein individuell gestalten und verschiedenste Lebensereignisse bestmöglich bewältigen zu können; zum Zweiten wächst auch die Überzeugung, dass das eigene Leben einen Sinn und Zweck hat und zum Dritten wird das Gefühl dafür, komplexere Zusammenhänge nachvollziehen und verstehen zu können, durch kulturelle Veranstaltungen geschärft.2 Zusammenfassend bedeutet diese durch Kultur bedingte Aktivierung des Kohärenzgefühls, dass die Umwelt sinnerfassender wahrgenommen wird, sodass man sich in dieser besser zurechtfinden und unabhängig bzw. selbstständig bewegen kann.3

Einen Platz im Leben finden

Mit diesem verschärften Kohärenzsinn geht gleichzeitig ein Gefühl von genereller Sicherheit einher, was zudem zur Verbesserung der eigenen Lebenssituation beiträgt. Man gewinnt durch die Teilhabe am kulturellen Umfeld an persönlicher Erfahrung und zieht Inspiration sowie Wissenswertes aus dem Wahrgenommenen,4 wodurch auch die individuelle Kreativität angeregt wird.

Der Einsamkeit entgegenwirken

Diese Faktoren nehmen schon großen Einfluss auf die seelische und vor allem soziale Widerstandskraft. Wesentlich in diesem Kontext ist der Aspekt, dass durch die kulturelle Teilhabe der Einsamkeit und Isolation entgegengewirkt wird, vor allem von älteren Personen und von Menschen mit psychischen Erkrankungen: Durch kulturelle Veranstaltungen befindet man sich nicht nur inmitten eines sozialen Gefüges, sondern kommt auch beinahe zwangsläufig mit anderen in Kontakt, wodurch dem Alleinsein effektiv gegengesteuert wird.5

Vor allem jenen Personen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, koste es Überwindung, eine solche Veranstaltung aus ebendiesem Grund – die Eingliederung in das sozial-kulturelle Umfeld – zu besuchen und „[v]iele müssten sich regelrecht zwingen, die Isolation zu verlassen“6, wie die deutsche Sozialpädagogin Martina Grotkopp erklärt. Habe man jedoch bis zum Schluss an der Veranstaltung – einer Theateraufführung oder einem Konzert – teilgenommen, so stärke dies den eigenen Selbstwert enorm. Dieser Aspekt sei ein Schritt in Richtung Normalität zurück, so Grotkopp.7 Und durch die regelmäßige Teilhabe im kulturellen Leben wird nicht nur Einsamkeit reduziert, sondern die psychische Gesundheit kann so auch wieder gesteigert werden. Vor allem dieser Punkt ist Gegenstand von mehreren Untersuchungen gewesen – mit positivem Ergebnis.

Kultur gegen psychische Erkrankungen

So hat beispielsweise eine Langzeitstudie mit mehr als 2.100 Teilnehmer*innen ergeben, dass die regelmäßige Nutzung von diversen Kulturangeboten psychischen Erkrankungen tatsächlich vorbeugen kann: „Jene Teilnehmer, die mindestens einmal im Monat oder häufiger einer kulturellen Aktivität nachgingen, wiesen ein rund 50 Prozent niedrigeres Risiko einer Depressionserkrankung als ihre Altersgenossen auf, die seltener als einmal pro Jahr etwas unternahmen“8, wie die Epidemiologinnen vom University College London, Daisy Fancourt und Urszula Tymoszuk, erläutern.9 Da kulturelle Erfahrungen nämlich intensive positive Gefühle (unter anderem wegen der bereits angesprochenen Faktoren) vermitteln können, wird sodann das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Und dies wiederum bewirkt, dass man sich selbst fröhlich bzw. glücklich fühlt und die psychische Gesundheit auf diese Art und Weise gefördert bzw. aufrechterhalten wird.10

Aktiv am kulturellen Leben teilhaben

Auch Kunst- und Kulturerfahrung durch die eigene Betätigung in diesem Bereich sorgt für zahlreiche gesundheitliche Vorteile die Psyche betreffend: Neben einer empirisch nachgewiesenen Senkung des Cortisol-Levels und damit einer Reduktion von Stress und Angstzuständen verhilft die eigene kulturelle Betätigung zur Entspannung; gleichzeitig hinterlässt sie ein angenehmes Gefühl, während die kulturelle Auseinandersetzung bzw. Erfahrung zu mehr Selbstreflexion anregt. Nicht zuletzt fördert die aktive Betätigung im kulturellen Umfeld die Konzentrationsfähigkeit.11

Gemäß den Ausführungen bringen also Theater-, Konzert-, Kino- oder Museumsbesuche genauso wie die aktive Teilnahme am kulturellen Leben eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen vor allem für das psychische Wohlbefinden mit sich und wirken dabei sinn- und identitätsstiftend. Je nach persönlicher Vorliebe sollte demnach das breitgefächerte lokale kulturelle Angebot dahin gehend genutzt und als wesentlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung aufgefasst werden. Wichtig ist allerdings, dass der Faktor Spaß bei der Teilnahme an diesen Events im Vordergrund steht. Dass man damit zugleich – und fast automatisch – Ressourcen in die Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit investiert, ist somit ein willkommener Nebeneffekt.

 


1 Vgl. Schnugg, Claudia: Gesundheit & Wohlbefinden – Wie wirkt Kunst? In: igkultur.at. Veröffentlicht am 05.02.2020.
URL: https://igkultur.at/theorie/gesundheit-wohlbefinden-wie-wirkt-kunst [Stand: 29.06.2022].

2 Vgl. Fonds Gesundes Österreich: Kohärenzgefühl. In: fgoe.org.
URL: https://fgoe.org/glossar/kohaerenzgefuehl [Stand: 29.06.2022].

3 Vgl. Schnugg, Claudia: Gesundheit & Wohlbefinden – Wie wirkt Kunst?
URL: https://igkultur.at/theorie/gesundheit-wohlbefinden-wie-wirkt-kunst [Stand: 29.06.2022].

4 Vgl. Schnugg, Claudia: Gesundheit & Wohlbefinden – Wie wirkt Kunst?
URL: https://igkultur.at/theorie/gesundheit-wohlbefinden-wie-wirkt-kunst [Stand: 29.06.2022].

5 Vgl. Schnugg, Claudia: Gesundheit & Wohlbefinden – Wie wirkt Kunst?
URL: https://igkultur.at/theorie/gesundheit-wohlbefinden-wie-wirkt-kunst [Stand: 29.06.2022].

6 Wulf, Astrid: Theatertickets statt Antidepressiva – Kultur für die Psyche. In: ndr.de. Veröffentlicht am 10.10.2021.
URL: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Theatertickets-statt-Antidepressiva-Kultur-fuer-die-Psyche,kultur2310.html [Stand: 29.06.2022].

7 Vgl. Wulf, Astrid: Theatertickets statt Antidepressiva – Kultur für die Psyche.
URL: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Theatertickets-statt-Antidepressiva-Kultur-fuer-die-Psyche,kultur2310.html [Stand: 29.06.2022].

8 Gielas, Anna: Ihr Arzt empfiehlt: Kultur. In: psychologie-heute.de. Veröffentlicht am 13.03.2019.
URL: https://www.psychologie-heute.de/gesundheit/artikel-detailansicht/39822-ihr-arzt-empfiehlt-kultur.html [Stand: 29.06.2022].

9 Vgl. Gielas, Anna: Ihr Arzt empfiehlt: Kultur.
URL: https://www.psychologie-heute.de/gesundheit/artikel-detailansicht/39822-ihr-arzt-empfiehlt-kultur.html [Stand: 29.06.2022].

10 Vgl. o.A.: Von Museum bis Theater: Kultur hilft gegen Depression. In: focus.de. Veröffentlicht am 11.04.2019.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/fitness/von-museum-bis-theater-kultur-hilft-gegen-depressionen_id_10581397.html [Stand: 29.06.2022].

11 Vgl. Schnugg, Claudia: Gesundheit & Wohlbefinden – Wie wirkt Kunst?
URL: https://igkultur.at/theorie/gesundheit-wohlbefinden-wie-wirkt-kunst [Stand: 29.06.2022].

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Veröffentlicht am: 10.08.2022