Gewalt gegen die Seele
Im Vergleich zur körperlichen Gewalt wird das Gefahrenpotenzial von psychischer Gewalt immer noch unterschätzt. Wodurch kennzeichnet sie sich jedoch und wie kann man sie bekämpfen?
Respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe mit einer offenen, positiven Körpersprache sind nicht nur wesentlich für gelungene soziale Interaktionen, sondern sorgen auch für gute Gefühle in vielfältiger Hinsicht. Einen gegenteiligen Effekt erzielen hingegen abwertende Aussagen in Kombination mit verächtlicher Mimik und Gestik sowie manipulative Handlungen – durch sie fühlt man sich gedemütigt, herabgewürdigt und wertlos. Wird ein solches Verhalten ständig wiederholt und schließlich zu einem unaufhörlichen Vorgehen, ist dies einem Gewaltakt zuzuschreiben und unter dem Begriff der psychischen bzw. emotionalen Gewalt zusammengefasst.
Seelische Gewalterfahrung
Die psychische Gewalt beschreibt also vorsätzliche, schadhafte und systematische Handlungen, die auf die Psyche einer Person einwirken,1 und meint dabei ein „Verhalten, das es darauf anlegt, einen anderen zu verunsichern und zu schwächen, jemanden klein zu halten“2, erklärt die im Psychiatrischen Therapiezentrum Kärnten tätige Psychiaterin Christa Rados. Zwar gebe es nur wenige Zahlen,3 aber „eine Umfrage zeigte, dass neun von zehn Frauen und acht von zehn Männern bereits Opfer von psychischer Gewalt wurden. Wir reden also von einem enorm verbreiteten Phänomen“4, resümiert Rados, wobei psychische Gewalt am häufigsten in Paarbeziehungen und in der Arbeitswelt zu finden ist.5
Manchmal ist Betroffenen aber nicht klar, gerade Opfer von emotionaler Gewalt geworden zu sein, nicht zuletzt aufgrund der häufig sehr subtilen Vorgehensweise der Täterin*des Täters. Somit ist es von Vorteil, Methoden dahin gehend zu erkennen, um reagieren zu können: Ausreichend sind bereits anhaltende Respektlosigkeiten, Herabwürdigungen, Provokationen oder Beleidigungen, außerdem Demütigungen und Schuldzuweisungen. Bewusstes Schweigen, Meiden oder Ignorieren sind weitere Merkmale von psychischer Gewalt. In Extremfällen können Handlungen darin münden, dass Betroffene von Familie und Freund*innen bzw. von sozialen Kontakten im Generellen zunehmend isoliert, deren Finanzen kontrolliert sowie Off- und Online-Aktivitäten überwacht werden. Auch offensichtliches Fremdgehen der Täterin*des Täters wird der psychischen Gewalt zugeschrieben.6
Besonders oft treten vier Formen von psychischer Gewalt auf:7
- Mobbing
Dabei wird psychische (manchmal gepaart mit körperlicher) Gewalt in Form von Schikanen oder verbalen Herabwürdigungen von einer Person bzw. Gruppe auf eine andere Person ausgeübt. - Diffamierung
Die betroffene Person sieht sich mit gezielten Lügen oder bösen Gerüchten über sich selbst konfrontiert und wird dadurch bloßgestellt. Ziel ist es, dass die Glaubwürdigkeit des Opfers infrage gestellt wird. - Gaslighting
Diese Form der Manipulation zielt darauf ab, die betroffene Person mit Falschinformationen so lange in die Irre zu führen, bis sie irgendwann sogar an der eigenen Wahrnehmung zweifelt. - Stalking
Hierbei wird die Privatsphäre des Opfers von der*dem Täter*in vorsätzlich verletzt, indem diese*r die betroffene Person verfolgt, belauert, belästigt sowie mit Nachrichten regelrecht terrorisiert.
Durch diese Ausprägungen von psychischer Gewalteinwirkung soll das Opfer an Selbstbewusstsein bzw. Selbstsicherheit einbüßen, als Person nachhaltig geschädigt werden und sich wertlos fühlen. Die*der Täter*in intendiert mit entsprechenden Handlungsweisen, Kontrolle über das Opfer zu erlangen sowie Macht auszuüben und Dominanz zur Schau zu stellen.8
Psychische Schädigung
Gemäß den Ausführungen – und wie auch die Begrifflichkeit nahelegt –, leidet das seelische Wohlbefinden massiv unter den ständigen psychischen Gewalteinwirkungen. Rados weiß aus Erfahrung: „[S]ie spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung vieler psychischer Erkrankungen“9. Neben einem niedrigen Selbstwertgefühl können schließlich Schlafstörungen sowie Schmerzen Folgeerscheinungen sein, außerdem der Verlust des sozialen Netzwerkes sowie Bindungs- und Beziehungsängste (insbesondere, wenn psychische Gewalt in Partnerschaften gegeben ist). Im schlimmsten Fall entwickeln Opfer von emotionaler Gewalt Ess-, Zwangs- oder Angsterkrankungen, Traumata bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung und Depressionen sowie Suizidgedanken; psychische Gewalt führt auch zu einem erhöhten Suizidrisiko.10
Der Gewalt ein Ende setzen
Weil psychische Gewalt aber einen schleichenden, subtilen Prozess darstellt und insbesondere in Partnerschaften im Verborgenen stattfindet, ist sie für Außenstehende nur schwer zu erkennen. Zudem entsteht zwischen Täter*in und Opfer vielfach ein Abhängigkeitsverhältnis, das es für Betroffene erschwert, aus einer Situation bzw. Beziehung wieder herauszufinden. Aus ebendiesen Gründen scheint die Suche nach Hilfe für viele ausweglos. Rados betont aber: „Bei jeder Form von Gewalt ist einer der wichtigsten Schutzfaktoren ein gutes, soziales Netz“11, weswegen dazu geraten wird, Mut zu fassen und sich Bekannten, Freund*innen und der Familie anzuvertrauen. Auch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen oder das Gespräch mit Psychotherapeut*innen wirken unterstützend.12
Für sich selbst frühzeitig zu erkennen, dass man psychischer Gewalt ausgesetzt ist, kann außerdem dabei helfen, entsprechende Verhaltensweisen zu unterbinden bzw. die Beziehung zu jener Person schnellstens aufzulösen. Stellt man beispielsweise fest, dass jemand keine Verantwortung für das eigene Handeln übernimmt, dafür jedoch ständig Schuldzuweisungen bestimmten Personen gegenüber tätigt, dann kann dies schon Anzeichen für beginnende oder bereits bestehende psychische Gewalt sein. Auch Stärken immerfort zu untergraben und Erfolge zu schmälern, ist Kennzeichen von emotionaler Gewalt. Vor allem in Beziehungen sollte das Verhalten der Partnerin*des Partners hinterfragt werden, wenn sie*er beispielsweise anfangs aufmerksam und liebevoll agiert, sodann jedoch darauf beharrt, immer mehr Zeit ohne andere Personen verbringen zu wollen, oder vorgibt, Liebe durch ständiges Hinterherspionieren oder übertriebene Kontaktsuche zu zeigen – dies kann auf beginnendes kontrollierendes Verhalten hindeuten.13
Befindet man sich inmitten eines psychischen Gewaltverhältnisses und möchte man sich dem (noch) bestehenden sozialen Umfeld nicht anvertrauen bzw. verfügt man über keine sozialen Kontakte, dann helfen Beratungsstellen und soziale Dienstleister dabei weiter, der emotionalen Gewalt zu entkommen:
Telefonseelsorge
Telefon: 142
kostenlose telefonische Beratung rund um die Uhr
PsyNot – Das psychiatrische Krisentelefon für die Steiermark
Telefon: 0800/44 99 33
kostenlose telefonische Beratung rund um die Uhr
Gewaltschutzzentrum Steiermark
Telefon: +43 316 77 41 99
Verein Frauenservice Graz
Lendplatz 38, 8020 Graz
Telefon: +43 316 71 60 22
Männerberatung Graz
Dietrichsteinplatz 15/1. Stock, 8010 Graz
Telefon: +43 316 83 14 14
Psychosoziale Dienste
Ein vollständiges Adressverzeichnis aller steirischen psychosozialen Dienste finden Sie unter www.plattformpsyche.at »»
1 Vgl. Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 23.08.2023.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
2 Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
3 Vgl. Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
4 Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
5 Vgl. Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
6 Vgl. AOK: Psychische Gewalt. In: deine-gesundheitswelt.de.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/psychische-gewalt [Stand: 21.05.2025].
7 Vgl. AOK: Psychische Gewalt.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/psychische-gewalt [Stand: 21.05.2025].
8 Vgl. AOK: Psychische Gewalt.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/psychische-gewalt [Stand: 21.05.2025].
9 Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
10 Vgl. AOK: Psychische Gewalt.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/psychische-gewalt [Stand: 21.05.2025].
11 Hausbichler, Beate: Psychiaterin Rados: „Aggresion ist nicht per se etwas Schlechtes“.
URL: https://www.derstandard.at/story/3000000183810/psychiaterin-rados-aggression-ist-nicht-per-se-etwas-schlechtes [Stand: 21.05.2025].
12 Vgl. AOK: Psychische Gewalt.
URL: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/psychische-gewalt [Stand: 21.05.2025],
vgl. kiru: Emotionaler Missbrauch: Sieben Anzeichen, dass der Partner Ihnen schadet. In: focus.de. Veröffentlicht am 30.08.2018.
URL: https://www.focus.de/familie/beziehung/panorama-emotionaler-missbrauch-7-anzeichen-dass-dein-partner-dir-schadet_id_9483614.html [Stand. 21.05.2025] und
vgl. Online Datenbank für Betroffene von Straftaten. In: odabs.org.
URL: https://www.odabs.org/informationen/moegliche-arten-von-gewalt/seelische-gewalt.html [Stand: 21.05.2025].
13 Vgl. kiru: Emotionaler Missbrauch: Sieben Anzeichen, dass der Partner Ihnen schadet.
URL: https://www.focus.de/familie/beziehung/panorama-emotionaler-missbrauch-7-anzeichen-dass-dein-partner-dir-schadet_id_9483614.html [Stand. 21.05.2025].
Bildhinweis: Adobe Stock
Veröffentlicht am: 04.06.2025