Garteln für die Seele

 

Nicht nur die visuellen Eindrücke von wachsenden und prächtig gedeihenden Blumen lassen Freude bei der Gartenarbeit empfinden, sondern auch das Ernten von selbst angebauten Obst- und Gemüsesorten. Dass Gartenarbeit aber eine weitaus größere Vielzahl an gesundheitsfördernden Aspekten mit sich bringt, macht das Freizeithobby noch attraktiver.

Das Wühlen in der Erde im Garten, das Gießen der Kräuter im Balkonbeet oder das Pflegen der Zimmerpflanzen – Gärtnern im In- und vor allem im Outdoor-Bereich soll das körperliche und seelische Wohlbefinden steigern. Und zu Beginn der diesjährigen Gartensaison stellt sich nun die Frage: Worin liegt dieser gesundheitswirksame Effekt im Detail?

Grüne Glücklichmacher

Vor allem die Corona-Pandemie und die dadurch ausgerufenen Lockdowns haben nicht nur subjektiv, sondern auch mittels Studien aufgezeigt, wie wichtig es uns ist, von Pflanzen umgeben zu sein, da sie ein Gefühl von Behaglichkeit entstehen lassen.1 Ebenso hat der scheinbar banale Spaziergang in dieser Zeit an Bedeutung gewonnen: Die Natur wurde intensiver erlebt, die Zeit an der frischen Luft wurden bewusster genutzt.2 Speziell das Gärtnern wurde zu einem zunehmend erfreulicheren Zeitvertreib, denn die Pandemie sowie die Lockdowns erzeugten ein Gefühl von Hilflosigkeit, Kontrollverlust und nicht vorhandener Entscheidungsfreiheit, was zu Stress und Frustration führte.3 Im Garten könne man sich „abreagieren, buddeln, schwitzen und dem Körper das Gefühl geben, etwas tun zu können“4, so Andreas Niepel, Gärtner und Phytotherapeut sowie Präsident der Internationalen Gesellschaft GartenTherapie. Sich um etwas zu kümmern, dabei zuzusehen, wie Pflanzen aufgrund der eigenen Fürsorge wachsen, schließlich Obst und Gemüse zu ernten, das über einen längeren Zeitraum hinweg gepflegt wurde, erzeugt außerdem intensive Glücksgefühle und steigert damit das Wohlbefinden.5

Ein wohltuendes physisches Erlebnis

Und jetzt zu Beginn der Gartensaison freuen sich wieder viele Hobbygärtner*innen darauf, zu säen, zu pflegen und zu ernten – ohne sich dessen bewusst zu sein, wie sehr der Körper diese Aktivitäten begrüßt. Zunächst zeigt sich bereits der Aufenthalt in der freien Natur dafür verantwortlich, dass die Sinne auf positive Art und Weise stark gefordert werden: Während in der Erde gebuddelt wird, hören wir das Summen der Bienen und das Zwitschern der Vögel sowie das Rauschen der Blätter von umliegenden Bäumen, riechen verschiedenste Düfte diverser Blumen und beobachten das Wachstumsstadium der Pflanzen. Diese Fokussierung auf die Natur bewirkt, dass der Blutdruck und die Herzfrequenz sinken, sodass eine beruhigende und entspannende Wirkung einsetzt.6

Auch der Bewegungsapparat wird je nach Gartentätigkeit moderat bis stark gefordert und der Aufenthalt an der frischen Luft sorgt für eine Steigerung des Atemvolumens. Regelmäßige Gartenarbeit regt außerdem den Stoffwechsel an und senkt den Cholesterinspiegel.7

Garteln für die Seele

Wie bereits angedeutet – Gärtnern sorgt daneben für psychisches Wohlbefinden durch positive Emotionen: „Ich stecke Arbeit hinein und muss meinen Garten über eine ganze Zeit hinweg pflegen. Die selbstgeerntete Möhre schmeckt dann am Ende tatsächlich besser als die, die ich mir gekauft habe“8, wie Niepel erklärt. Konkret wird in diesem Fall das Belohnungssystem angesprochen, aber auch eine Steigerung des Selbstwertes und der Selbstwirksamkeit kann durch Gartenarbeit erzielt werden:9 „Wenn ich tagsüber im Beruf nur bestimmte Phasen eines Produktes begleiten kann, fehlt mir vielleicht das Gefühl, etwas erschaffen zu haben“10, so seine Ausführung. Beim Gärtnern sehe und erlebe man Fortschritte, die aus den eigenen Handlungen resultieren würden, und dies fördere das Vertrauen in das eigene Können.11 Auch wenn das Ausgesäte keinen Ertrag bringt – erlernt wird dadurch ein verbesserter Umgang mit Verlust und das Hinnehmen von Rückschlägen, weswegen Gartenarbeit ebenso in dieser Hinsicht förderlich ist.12

Einfach ‚abschalten‘

Strukturierung des Alltages durch die regelmäßige Freizeitaktivität, das Überwinden von Antriebslosigkeit durch die Motivation, den Garten pflegen zu wollen, eine verbesserte Schlafqualität – diese Aspekte sind ebenso wesentlich für das psychische Wohlbefinden und gehen mit der Gartenarbeit einher. Des Weiteren unterbindet sie negative Gedanken und Grübeleien, denn der Rückschnitt von Blumensträuchern oder das Aussäen von Saatgut erfordert die Aufmerksamkeit der*des Gärtner*in sowie die Konzentration auf die Tätigkeit an sich.13 Ebenso werden die motorischen Fähigkeiten geschult, wie Birgit Steininger, Leiterin des Lehrgangs Gartentherapie an der Donau-Universität Krems, erläutert: „Ein Samenkorn in einen Topf mit Erde zu drücken, ist zum Beispiel wenig anstrengend, aber eine Herausforderung für die Feinmotorik“14.

Gartentherapie als unterstützende Therapieform bei körperlichen und psychischen Krankheiten

Diese zahlreichen gesundheitswirksamen Effekte der Gartenarbeit hat man schon in der Antike angenommen, weswegen es nicht verwunderlich scheint, dass die Tätigkeit in der heutigen Zeit als begleitende Therapiemaßnahme zur Linderung von körperlichen Beschwerden sowie zur Reduzierung von Symptomen bei Angst- und Belastungsstörungen, bei Depressionen, Suchterkrankungen, Traumatisierungen und Demenz bzw. Alzheimer eingesetzt wird.15 Bei der sogenannten Gartentherapie dient die Aktivität des Gärtnerns als therapeutische und pädagogische Maßnahme:16 „Es geht um das Wiedererlernen von Genussfähigkeit, die Anregung der Sinne und auch ganz simpel darum, vom Anfang bis zum Ende an einer Sache dranzubleiben“17, sagt Steininger. Der ärztliche Leiter der Gerontopsychiatrie des Evangelischen Krankenhauses Herzberge in Berlin, Torsten Kratz, führt dazu Folgendes weiter aus: „Die Patientinnen und Patienten, die sonst eher in einer passiven Rolle sind, kümmern sich nun aktiv um etwas, übernehmen Verantwortung für die Pflanzen. Der Gepflegte wird zum Pflegenden“18. Die Gartentherapie als begleitende Maßnahme zur Therapie einer primären körperlichen oder psychischen Erkrankung unterstützt außerdem dabei, kognitive wie sprachliche Fähigkeiten und die Gedächtnisleistung im Generellen zu verbessern, fördert die Muskelkraft und stärkt den Gleichgewichtssinn sowie die Ausdauer.19

Gemäß den Ausführungen wird deutlich, warum Menschen, die über einen eigenen kleinen Garten – ob im Grün oder auf dem Balkon – verfügen und diesen als festen Bestandteil der Freizeitgestaltung integrieren, mit nicht beeinflussbaren belastenden Begebenheiten wie der Corona-Pandemie besser umgehen können. In jedem Fall lohnt es sich aber, sich sogleich als Hobbygärtner*in auszuprobieren, um nicht nur Freude beim Anblick blühender Blumen zu verspüren bzw. Glück beim Ernten von Obst und Gemüse zu empfinden, sondern um auch von der Vielfalt an gesundheitswirksamen Mechanismen zu profitieren, die das Gärtnern mit sich bringt.

 


1 Vgl. Zimmer, Marc / Mocker, Daniela: Warum Gärtnern gut für die Psyche ist. In: spektrum.de. Veröffentlicht am 14.05.2021.
URL: https://www.spektrum.de/podcast/warum-gaertnern-gut-fuer-die-psyche-ist/1873462 [Stand: 07.03.2023].

2 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut. In: nationalgeographic.de. Veröffentlicht am 04.06.2021.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

3 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

4 Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

5 Vgl. Zimmer, Marc / Mocker, Daniela: Warum Gärtnern gut für die Psyche ist.
URL: https://www.spektrum.de/podcast/warum-gaertnern-gut-fuer-die-psyche-ist/1873462 [Stand: 07.03.2023].

6 Vgl. Schlossparkklinik Dirmstein: Gärtnern für die Seele: 7 Gründe, warum Gartenarbeit unserer Psyche guttut und eine sinnvolle Beschäftigung bei Depression ist. In: schlosspark-klinik-dirmstein.de. Veröffentlicht am 26.04.2022.
URL: https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/7-gruende-fuer-gartenarbeit-gegen-depressionen/ [Stand: 07.03.2023].

7 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

8 Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

9 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

10 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

11 Vgl. Buenaventura, Barbara: Wie uns Gärtnern guttut.
URL: https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/05/wie-uns-gaertnern-guttut [Stand: 07.03.2023].

12 Vgl. Schlossparkklinik Dirmstein: Gärtnern für die Seele: 7 Gründe, warum Gartenarbeit unserer Psyche guttut und eine sinnvolle Beschäftigung bei Depression ist.
URL: https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/7-gruende-fuer-gartenarbeit-gegen-depressionen/ [Stand: 07.03.2023].

13 Schlossparkklinik Dirmstein: Gärtnern für die Seele: 7 Gründe, warum Gartenarbeit unserer Psyche guttut und eine sinnvolle Beschäftigung bei Depression ist.
URL: https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/7-gruende-fuer-gartenarbeit-gegen-depressionen/ [Stand: 07.03.2023].

14 Bachal, Daniela: Der Garten als Therapie. In: kleinezeitung.at. Veröffentlicht am 19.06.2018.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/5449943/Koerper-Geist_Der-Garten-als-Therapie [Stand: 07.03.2023].

15 Vgl. Schlossparkklinik Dirmstein: Gärtnern für die Seele: 7 Gründe, warum Gartenarbeit unserer Psyche guttut und eine sinnvolle Beschäftigung bei Depression ist.
URL: https://www.schlosspark-klinik-dirmstein.de/7-gruende-fuer-gartenarbeit-gegen-depressionen/ [Stand: 07.03.2023] und
vgl. RND / dpa: Gartentherapie: Buddeln, jäten und pflanzen für die Psyche. In: rnd.de. Veröffentlicht am 11.06.2022.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/therapeutische-gartenarbeit-so-hilft-das-gaertnern-uns-bei-depressionen-demenzen-und-YQ7EWFF5UQOMJA74LPFA3RWD3Q.html [Stand: 07.03.2023].

16 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Green Care“ und Gartentherapie. In: gesundheit.gv.at. Aktualisiert am 27.10.2021.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/umwelt/natur/gartentherapie.html [Stand: 07.03.2023].

17 Bachal, Daniela: Der Garten als Therapie.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/5449943/Koerper-Geist_Der-Garten-als-Therapie [Stand: 07.03.2023].

18 RND / dpa: Gartentherapie: Buddeln, jäten und pflanzen für die Psyche.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/therapeutische-gartenarbeit-so-hilft-das-gaertnern-uns-bei-depressionen-demenzen-und-YQ7EWFF5UQOMJA74LPFA3RWD3Q.html [Stand: 07.03.2023].

19 Vgl. RND / dpa: Gartentherapie: Buddeln, jäten und pflanzen für die Psyche.
URL: https://www.rnd.de/gesundheit/therapeutische-gartenarbeit-so-hilft-das-gaertnern-uns-bei-depressionen-demenzen-und-YQ7EWFF5UQOMJA74LPFA3RWD3Q.html [Stand: 07.03.2023].

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Veröffentlicht am: 12.04.2023