Die Macht der Gewohnheit

 

Schlechte Gewohnheiten ablegen und gegen neue, für Körper und Seele wohltuende Rituale ersetzen – den Jahreswechsel nehmen viele zum Anlass dafür, neue Vorsätze zu fassen. Wie können diese aber wirklich zielführend umgesetzt und zu alltäglichen Gewohnheiten werden?

Mehr Sport betreiben, mit dem Rauchen aufhören, Geld sparen – diese und viele weitere Vorhaben stehen heuer wieder auf der Liste der guten Vorsätze für das neue Jahr. Und obwohl man motiviert und entschlossen startet, müssen sich viele bereits nach wenigen Wochen eingestehen – der Neujahrsvorsatz wurde nicht langfristig umgesetzt und bereits aufgegeben, einfach nicht zur Gewohnheit. Woran das liegt? „[D]er Grund ist eben, dass Gewohnheiten nicht durch Willenskraft, […] ausgelöst und gesteuert werden“1, weiß der an der der University of Bath in England tätige Sozialpsychologe Bas Verplanken. Willensstärke alleine ist also nicht ausreichend, um einen Vorsatz auf Dauer in die Tat umzusetzen, da andere Gewohnheiten fest verankert sind. Deswegen steht auch die Arbeit an den eigenen Gewohnheiten im Vordergrund – das Stärken von guten und gleichzeitig Schwächen von schädlichen Ritualen.

Alltagsautomatismen

Doch was genau sind Gewohnheiten eigentlich? „Im Grunde ist eine Gewohnheit ein repetitives Verhalten, das ab einem bestimmten Punkt automatisch abläuft und von bestimmten Umweltreizen ausgelöst wird“2, wie Verplanken erklärt. Täglich vollziehen wir unzählig viele Handlungen, von welchen ca. 30 bis 50 % auf Gewohnheiten basieren.3 Und diese Rituale beginnen bereits bei der Morgenroutine, die wir automatisch und auf die immer gleiche Art und Weise ausführen: Wir brühen den Kaffee auf, putzen uns die Zähne, kleiden uns für den Arbeitsalltag.4

Solche Automatismen erfüllen mehrere Zwecke: „Gewohnheiten sind sehr wichtig, weil sie den Tag strukturieren. Man hat bestimmte Abläufe, und diese Abläufe führen letztendlich dazu, dass man sich geborgen und sicher fühlt“5, so Verplanken. Anders verhält es sich bei neuen, unbekannten Tätigkeiten: „[D]ie Konfrontation mit neuen und komplizierten Dingen erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Konzentration“6 wie der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth erklärt. Weil wir über gewohnte Handlung also nicht nachdenken, wird das Gehirn entlastet und arbeitet gleichzeitig effizienter, wenn wir uns auf neue Tätigkeiten fokussieren.7

Gewohnheit = Belohnung

Warum fällt es nun jedoch so schwer, bestimmte Gewohnheiten aufzugeben? Wolfram Schultz, Professor für Neurowissenschaften an der University of Cambridge, erklärt dazu: „Gewohnheiten sind kleine Süchte. […] Wenn wir die Erfahrung machen, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer Belohnung führt, wiederholen wir es möglichst oft“8. Die Belohnung gestaltet sich in Form von einer Ausschüttung von Glückshormonen wie Serotonin und Dopamin, wodurch positive Emotionen entstehen. Und vor allem bei schlechten Gewohnheiten kann dies nachteilig sein: Kommen wir nach einem stressigen Arbeitstag nach Hause und greifen wir deswegen ständig zu ungesunden Snacks als Belohnung, die wir dann auch noch auf der Couch vor dem Fernseher konsumieren, werden wir dieses Verhalten immer wieder anwenden, auch wenn uns bewusst ist, dass wir uns damit nichts Gutes tun.9

Schlechte Gewohnheiten ablegen

Solche negativen Handlungsweisen sollten erst gar nicht zur Gewohnheit werden, weswegen es gilt, aktiv dagegen vorzugehen:10

  • Stress reduzieren
    Warum benötigen wir abends ungesunde Snacks oder ein Glas Rotwein? Natürlich können nicht sämtliche Stressindikatoren vermieden oder beseitigt werden, aber indem man sie reduziert und sich wohltuende Methoden zur Entspannung aneignet (beispielsweise ein heißes Bad oder ein Spaziergang), kann negativen Ritualen vorgebeugt werden.
  • Triggern ausweichen
    Jede Gewohnheit wird durch bestimmte Reize bzw. Trigger ausgelöst. Ist es, wie soeben angeführt, Stress, der zu schädlichen Gewohnheiten führen kann, ist dem vorzubeugen.
  • Abläufe stören
    Hat man nicht die Möglichkeit, eine gewohnte Handlung auszuführen, hilft dies auch eher dabei, sie sich abzugewöhnen bzw. gar nicht anzueignen. Will man beispielsweise weniger Süßigkeiten essen, sollten diese nicht immer in der Vorratskammer verfügbar sein.

Doch wie wird nun der Neujahrsvorsatz zur neuen Gewohnheit?

Wie bereits erwähnt kennzeichnen sich Gewohnheiten durch routinierte Handlungsabläufe. Bis eine Gewohnheit tatsächlich ausgeführt werden kann, ohne über sie nachzudenken, vergehen im Durchschnitt 66 Tage. Soll ein Neujahrsvorsatz wie „Ich werde mehr Sport machen“ zu einer gewohnten Alltagshandlung werden, erleichtern die nachstehenden Faktoren die Etablierung:11

  • Motivation herausfinden
    Warum möchte die neue Routine angeeignet werden? Was spornt an? Indem man dazu Antworten formuliert, steigert man die Motivation, um eine neue Gewohnheit zu schaffen.
  • Auslöseanreize definieren
    Animieren Trigger dazu, sich ungesunden Ritualen zuzuwenden – beispielsweise wenig Bewegung und gleichzeitig ungesunde Ernährung –, sollte man diese reduzieren bzw. sie als Auslöseanreize für die neue Gewohnheit nutzen.
  • Routinen planen
    Festgelegt werden sollte, wann die neue Gewohnheit bestmöglich in den vollen Terminkalender eingebaut werden kann. Von dieser Planung sollte sodann nicht abgewichen werden.
  • Sich selbst belohnen
    Gewohnheiten werden durch Belohnungen leichter übernommen und als erfüllend und positiv wahrgenommen. Ein Belohnungssystem kann somit beim Erlernen neuer Gewohnheiten zielführend sein. Beispielsweise kann man sich nach 10 absolvierten Sporteinheiten eine Massage gönnen.
  • Die passende Einstellung
    Stimmt das Vorhaben mit den eigenen Vorstellungen überein, wird die Gewohnheit auch eher als solche übernommen. Wenn Fitness beispielsweise für das persönliche Selbstkonzept wichtig ist, werden Sport und Bewegung eher in den Alltag integriert.
  • Selbstdisziplin
    Ganz ohne Willensstärke geht es nicht. Möchte man Sport und Bewegung wirklich dauerhaft betreiben, darf nicht jedem Trigger nachgegeben werden, der dazu führen könnte, die Gewohnheit aufzugeben.

Schließlich gilt es, die Gewohnheit zu stärken und sie zu ritualisieren, indem

  • Freude empfunden und positive Erfahrungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit gemacht werden (anstatt sich zum Joggen zu quälen, sucht man sich eine Sportart, die einem persönlich mehr Spaß bereitet),
  • das Timing für die Ausübung der neuen Gewohnheit stimmt und keine Unterbrechungen stattfinden,
  • das Ritual an eine andere Tätigkeit gekoppelt wird, die wohltuend wirkt (man sieht sich bei der Hometrainer-Einheit Folgen der Lieblingsserie an),
  • man es nicht übertreibt (widmet man sich zu häufig dem neuen Ritual, kann sich Freude schnell in Lustlosigkeit verwandeln) und
  • ein Fortschritt sichtbar wird (das Körperbewusstsein und die Fitness werden nach regelmäßigen Sporteinheiten gesteigert und das Ergebnis ist auch wahrnehmbar).12

Dass sich schlechte Gewohnheiten nur schwer und mit Disziplin ablegen lassen, neue mühsam angeeignet werden müssen, ist unbestritten. Und doch lohnt es sich, an Neujahrsvorsätzen festzuhalten, schlechte Verhaltensmuster aufzugeben und an der Etablierung von neuen positiven Ritualen zu arbeiten. Vor allem im Hinblick auf die körperliche und psychische Gesundheit können ‚gute‘ Gewohnheiten einen wesentlichen Faktor für langfristiges Wohlbefinden darstellen.

Somit wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Neujahrsvorsätze und vor allem einen guten Start in das neue Jahr!

 


1 Gierlinger, Marisa: Wie Routinen unser Verhalten prägen. In: ardalpha.de. Veröffentlicht am 12.05.2023.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/gewohnheit-aendern-definition-psychologie-rituale-routine-selbstoptimierung-100.html [Stand: 19.12.2023].

2 Gierlinger, Marisa: Wie Routinen unser Verhalten prägen.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/gewohnheit-aendern-definition-psychologie-rituale-routine-selbstoptimierung-100.html [Stand: 19.12.2023].

3 Vgl. Zeug, Katrin: Mach es anders! In: zeit.de. Veröffentlicht am 17.02.2016.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/komplettansicht [Stand: 19.12.2023].

4 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Gewohnheiten ändern: Tipps für neue Handlungsmuster. In: aok.de. Veröffentlicht am 28.01.2022.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/ [Stand: 19.12.2023].

5 Gierlinger, Marisa: Wie Routinen unser Verhalten prägen.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/gewohnheit-aendern-definition-psychologie-rituale-routine-selbstoptimierung-100.html [Stand: 19.12.2023].

6 Zeug, Katrin: Mach es anders!
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/komplettansicht [Stand: 19.12.2023].

7 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Gewohnheiten ändern: Tipps für neue Handlungsmuster.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/ [Stand: 19.12.2023].

8 Zeug, Katrin: Mach es anders!
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2013/02/Psychologie-Gewohnheiten/komplettansicht [Stand: 19.12.2023].

9 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Gewohnheiten ändern: Tipps für neue Handlungsmuster.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/ [Stand: 19.12.2023].

10 Vgl. Becker, Florian: Gewohnheiten ändern: Macht der Gewohnheit. In: wpgs.de.
URL: https://wpgs.de/fachtexte/die-macht-der-gewohnheit/ [Stand: 19.12.2023].

11 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Gewohnheiten ändern: Tipps für neue Handlungsmuster.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/gewohnheiten-aendern-tipps-fuer-neue-handlungsmuster/ [Stand: 19.12.2023] und
vgl. Becker, Florian: Gewohnheiten ändern: Macht der Gewohnheit.
URL: https://wpgs.de/fachtexte/die-macht-der-gewohnheit/ [Stand: 19.12.2023].

12 Vgl. Becker, Florian: Gewohnheiten ändern: Macht der Gewohnheit.
URL: https://wpgs.de/fachtexte/die-macht-der-gewohnheit/ [Stand: 19.12.2023].

Bildhinweis: Adobe Stock

Veröffentlicht am: 28.12.2023