Die Bescherung an Weihnachten – Brauch und Symbolik des Schenkens

 

Ein Weihnachtsfest ohne Geschenke unter dem Christbaum – für viele von uns kaum vorstellbar. Und obwohl der jährliche Geschenkekauf manchmal auch stressig sein kann, lohnt es sich aus psychologischer Sicht schlussendlich doch, die Liebsten mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu erfreuen.

Viele von uns werden schon so manches Weihnachtsgeschenk besorgt haben, andere wiederum grübeln noch, was sie an Heiligabend schenken sollen, und fühlen sich bei der Suche nach dem perfekten Geschenk auch manchmal gestresst. Dann gibt es noch jene, die auf diesen Brauch willentlich verzichten, damit erst gar keine Hektik entsteht und das Weihnachtsfest umso intensiver genossen werden kann. Doch wieso lohnt es sich schlussendlich doch, unsere Liebsten an Weihnachten zu beschenken, und woher stammt diese Tradition überhaupt?

Schenken dient der Kommunikation

Dass hinter einem Weihnachtsgeschenk im Generellen mehr steckt als gezwungener Konsum, erklärt Anton Tölk, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, wie folgt: „Schenken ist sozusagen eine alte Symbolik der Zuneigung, der Freude oder der Dankbarkeit“1. Ein Geschenk drückt somit Wertschätzung aus und dient der Förderung und dem Erhalt von Beziehungen. Der Akt des Schenkens beruht aber auch stets auf einem Gegenseitigkeitsprinzip, denn mit einem Präsent antwortet die/der Gebende immer auf ein früheres Geschenk der/des Nehmenden:2 „Schenken ist sozusagen der soziale Kitt“3, wie es der Kulturwissenschaftler Mischa Gallati von der Universität Zürich formuliert, denn die Gegenseitigkeit des Geschenke-Austausches sorgt für die Verbundenheit zweier Menschen.4

Nicht nur, dass wir mit einem Geschenk unserem Gegenüber eine Freude bereiten wollen – auch wir selbst profitieren von der Großzügigkeit, denn durch das Glück der/des Beschenkten fühlen wir uns selbst gut. Damit beinhaltet ein Geschenk auch immer einen gewissen Eigennutzen unsere Gefühle betreffend.5

Der Brauch des Schenkens an Weihnachten

Gerade zum Weihnachtsfest wünschen sich viele ein harmonisches und freudvolles Beisammensein mit den Liebsten, zu welchem das gegenseitige Beschenken einfach dazugehört – eine symbolhafte Geste, um zum Ausdruck zu bringen, wie viel man einander bedeutet. Der Geschenkeaustausch zu Weihnachten ist dabei keine Erfindung der Konsumgesellschaft, sondern verfolgt eine sehr lange Tradition, die sogar bis ins Mittelalter zurückgeführt werden kann: In Anlehnung an den Heiligen Nikolaus fanden Kinder am 6. Dezember Geschenke in den Schuhen und unter dem Bett vor.6 Obwohl in Österreich auch heute noch eine Gabe in Form von Süßigkeiten, Mandarinen oder Nüssen an diesem Tag gängig ist,7 so hat sich durch die Reformation das uns geläufige Ritual der Bescherung auf Weihnachten verlegt.8

Unabhängig von einer historischen Komponente ist die Tradition des weihnachtlichen Schenkens auch aktuell ein fast nicht wegzudenkendes Element des Festes. Und weil dabei immer die Freude über das Präsent im Vordergrund stehen sollte, gestaltet sich die Suche nach dem perfekten Weihnachtsgeschenk für viele nicht immer einfach.

Weihnachtsgeschenke besorgen – manchmal ein Stressfaktor

Obwohl etwa 48 % aller Österreicher*innen im Zuge einer Umfrage angaben, dass der Weihnachtsgeschenkekauf Spaß mache, sehen ihn ca. 18 % als Belastung.9 Die Frage, womit man den Liebsten eine Freude bereiten könne, beschäftigt dabei viele. Denn 34,7 % der österreichischen Bevölkerung sind der Ansicht, dass ein Weihnachtsgeschenk die Vorlieben der beschenkten Person widerspiegeln solle.10 Die an der Universität von Cincinnati tätige Marketingexpertin Mary Steffel erläutert aber, dass Schenkende dazu tendieren, „hochpersonalisierte Geschenke auszusuchen. Empfänger bevorzugen aber vielseitig Einsetzbares“11. Somit wird dazu geraten, zwar die Bedürfnisse der/des Beschenkten zu berücksichtigen, ein dabei aber eher allgemeines Geschenk auszuwählen.

Auch die Angemessenheit des Preises sollte beim Geschenkekauf bedacht werden: Obwohl wir dazu neigen, Geschenke nach ihrem Geldwert auszusuchen, und uns dabei nicht selten in einem regelrechten Konsumrausch wiederfinden – ein teures Objekt wird eher gekauft als die preiswertere, gleichzeitig funktionserfüllende Alternative – spielt der Preis des Geschenkes für die/den Beschenkten kaum bis keine Rolle. Aufgrund des teureren Geschenkes erwarten wir jedoch auch mehr Freude von der/vom Beschenkten, vergessen dabei aber, dass diese*r den Preis gar nicht kennt.12 Somit sollte nicht immer die teurere Variante gewählt werden, denn auch die günstigere Geschenkeauswahl bereitet große Freude, sofern das Präsent die Bedürfnisse der/des Beschenkten auch erfüllt.

Einen Blick auf den ‚Wunschzettel‘ werfen

Unterschätzt wird auch häufig, wie sehr sich die/der Beschenkte über Geschenke freut, die sie/er sich auch tatsächlich wünscht. Viele intendieren nämlich, mit außergewöhnlichen und nicht immer praktischen, dafür mit vermeintlich symbolisch behafteten Präsenten überraschen zu wollen, „von dem [sie/]er noch gar nicht wusste, dass [sie/]er es unbedingt braucht“13. Mehrere Studien zeigen jedoch, dass Wunschgeschenke als besonders aufmerksam wahrgenommen werden,14 ganz nach dem Motto „[d]a hat jemand gut zugehört“15. Und auch scheinbar einfallslose Geldgeschenke sind besser als ihr Ruf, denn die/der Beschenkte bekommt dadurch die Möglichkeit, etwas auszusuchen, das sie/er sich auch tatsächlich wünscht.16

Die ‘Dos and Don’ts’ unter den Weihnachtsgeschenken

Im Generellen gibt es gemäß einer Umfrage die ‚Klassiker‘ unter den Geschenken, die immer Freude bereiten, aber auch unliebsame Präsente, die eher vermieden werden sollen: Eine Studie des E-Commerce-Gütezeichens17 aus dem Jahr 2020 gibt Aufschluss dahin gehend, worüber sich die Österreicher*innen besonders freuen und welche Geschenke wenig Begeisterung auslösen. So werden Weihnachtsgeschenke wie Gutscheine, Bargeld oder Präsente, die gemeinsame Zeit beinhalten, nicht nur gerne geschenkt, sondern auch immer gerne angenommen. Frauen freuen sich außerdem noch über Erlebnisgeschenke oder gemeinsame Ausflüge, Männer über elektronische Geräte. Die Umfrage ergab zudem, dass manche Geschenke nicht immer für Begeisterung sorgen und deswegen nur auf Wunsch der/des Beschenkten unter dem Weihnachtsbaum liegen sollten. Dazu zählen etwa Kinderartikel oder -spiele, Musik-, Film- und Streamingangebote, Socken oder Unterwäsche und ebenso Gesellschaftsspiele sowie Fotobücher. Auch selbstgemachte Pullover, Schals oder Bilder erzeugen nur selten freudige Empfindungen.18

Somit wird deutlich, dass besonders ausgefallene oder gar teure Geschenke nicht immer dazu führen, der Familie an Weihnachten Freude zu bereiten. Wichtig ist das Eingehen auf die persönlichen Bedürfnisse, die praktische Anwendung und preisliche Angemessenheit des Geschenkes sowie die Berücksichtigung von ausdrücklich geäußerten Wünschen. Und obwohl an Weihnachten das Zusammensein mit der Familie im Vordergrund steht, so kann und sollte das Fest gemäß Expert*innen auch als Anlass dazu genommen werden, die Liebsten mit einer Kleinigkeit zu beschenken. Denn im Grunde geht es bei der weihnachtlichen Bescherung nicht um den vielzitierten Konsumrausch, sondern einzig darum, mittels eines Geschenkes die gegenseitige Zuneigung zum Ausdruck zu bringen.

 


1 Koxeder, Birgit: Psychologie des Schenkens. In: meinegesundheit.at. Aktualisiert am 11.05.2020.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690033&portal=meinegesundheitportal [Stand: 05.11.2021].

2 Vgl. Bigalke, Silke: Eine besondere Gabe. In: sueddeutsche.de. Veröffentlicht am 17.05.2010.
URL: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/psychologie-des-schenkens-eine-besondere-gabe-1.67048 [Stand: 05.11.2021].

3 Mascherin, Claudia: Darum schenken wir. In: blick.ch. Aktualisiert am 09.12.2020.
URL: https://www.blick.ch/life/weihnachten/x-mas-psychologie-darum-schenken-wir-id7712953.html [Stand: 05.11.2021].

4 Vgl. Mascherin, Claudia: Darum schenken wir.
URL: https://www.blick.ch/life/weihnachten/x-mas-psychologie-darum-schenken-wir-id7712953.html [Stand: 05.11.2021].

5 Vgl. Warkus, Matthias: Die Philosophie des Schenkens. In: spektrum.de. Veröffentlicht am 19.12.2019.
URL: https://www.spektrum.de/kolumne/warum-schenken-wir-uns-etwas-zu-weihnachten/1694200 [Stand: 05.11.2021].

6 Vgl. Mascherin, Claudia: Darum schenken wir.
URL: https://www.blick.ch/life/weihnachten/x-mas-psychologie-darum-schenken-wir-id7712953.html [Stand: 05.11.2021].

7 Vgl. O., Marie: Der Nikolaus kommt, mit einem großen Sack voller Geschenke! In: meinbezirk.at. Veröffentlicht am 30.04.2020.
URL: https://www.meinbezirk.at/graz/c-regionauten-community/der-nikolaus-kommt-mit-einem-grossen-sack-voller-geschenke_a4374572 [Stand: 05.11.2021].

8 Vgl. Mascherin, Claudia: Darum schenken wir.
URL: https://www.blick.ch/life/weihnachten/x-mas-psychologie-darum-schenken-wir-id7712953.html [Stand: 05.11.2021].

9 Vgl. APA: Weihnachten ist für die meisten ein harmonisches Familienfest. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 07.12.2018.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000093382301/weihnachten-ist-fuer-die-meisten-ein-harmonisches-familienfest [Stand: 05.11.2021].

10 Vgl. APA OTS: 60 Prozent aller Weihnachtsgeschenke werden online gekauft. In: ots.at. Veröffentlicht am 24.11.2020.
URL: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201124_OTS0036/60-prozent-aller-weihnachtsgeschenke-werden-online-gekauft-bild [Stand: 05.11.2021].

11 Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein. In: spektrum.de. Veröffentlicht am 11.12.2020.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

12 Vgl. Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

13 Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

14 Vgl. Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

15 Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

16 Vgl. Hartmann, Corinna: So einfach kann Schenken sein.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-finde-ich-das-richtige-geschenk/1806950 [Stand: 05.11.2021].

17 Vgl. Österreichisches E-Commerce-Gütezeichen: 60 % aller Weihnachtsgeschenke werden online gekauft. In: guetezeichen.at.
URL: https://www.guetezeichen.at/blog-detail/60-aller-weihnachtsgeschenke-werden-online-gekauft [Stand: 08.11.2021].

18 Vgl. Österreichisches E-Commerce-Gütezeichen: 60 % aller Weihnachtsgeschenke werden online gekauft.
URL: https://www.guetezeichen.at/blog-detail/60-aller-weihnachtsgeschenke-werden-online-gekauft [Stand: 08.11.2021].

Bildhinweis: Adobe Stock

Veröffentlicht am: 09.12.2021