Der zwanghafte Drang nach Sport – Eine schweißtreibende Sucht

 

Wann kann nicht mehr von gesunder Bewegung, sondern von einer regelrechten Sucht nach Sport gesprochen werden?

Im Blogbeitrag von vergangener Woche – ‚Aktiv gesund bleiben – Bewegung und Sport für Körper und Seele‘ »» – wurde die Wichtigkeit von regelmäßiger Bewegung und sportlicher Betätigung betont, denn die gesundheitsfördernden Wirkungen, sowohl den Körper als auch die Psyche betreffend, sind unbestritten. Aber Sport kann in manchen Fällen auch zu einer bedrohlichen Sucht werden, die es dann dringend zu behandeln gilt.

Wenn Sport zu einer exzessiven Angelegenheit wird

Viele Menschen treiben in einem intensiven Ausmaß Sport, was jedoch nicht sofort bedeutet, dass sie auch tatsächlich davon abhängig sind. Von regelrechter Sportsucht spricht man ab einem Zeitpunkt, ab welchem die sportliche Betätigung bereits krankhaft ausgeprägt ist und ein innerer Zwang besteht, Sport zu betreiben. Der Drang danach kann nicht mehr kontrolliert werden und bildet schließlich auch den Mittelpunkt des Alltagsgeschehens.1

Somit ist die Sportsucht auch den Verhaltenssüchten zuzuordnen, was bedeutet, dass sie nicht stoffgebunden ist.2 Wie bei anderen Abhängigkeiten dieser Art wird ein noch vertretbares Trainingsmaß bei Weitem überschritten: „Sportsüchtige sind bereit, massive gesundheitliche Schädigungen in Kauf zu nehmen, weil sie ja ihre Dosis, sprich ihren Sport haben wollen“3, wie es Heiko Ziemainz, Sportpsychologe und Akademischer Direktor vom Institut für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen, erläutert.

Wer ist besonders gefährdet, an Sportsucht zu erkranken?

Unterschieden wird im Generellen zwischen zwei Arten von Sportsucht, nämlich der primären und der sekundären: Bei ersterer Variante wird Sport ohne Intention ausgeübt, was bedeutet, dass beispielsweise das Abnehmen nicht im Vordergrund steht, sondern die Aktivität an sich.4 Bei der sekundären Sportsucht steckt hingegen eine bereits bestehende Erkrankung hinter dem exzessiven Training, beispielsweise der Kalorienverbrauch oder die Gewichtsreduktion im Zuge einer Essstörung; auch Zwangsstörungen oder eine krankhafte Körperbildwahrnehmung können diese Form der Abhängigkeit auslösen.5

Als gesichert gilt, dass vor allem Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen das größte Risiko mit sich bringen, süchtig danach zu werden; ebenso sind Extrem- und Kraftsportler*innen eher gefährdet, eine Sucht zu entwickeln: Erstere aufgrund des Adrenalinkicks, der immerfort erlebt werde möchte, Letztere wegen eines exzessiven Muskelaufbaus, der angestrebt wird. Ausgegangen wird davon, dass die Sportsucht nicht unbedingt stark verbreitet ist, jedoch etwa jede*r 20. Ausdauersportler*in Anzeichen eines suchtgefährdenden Verhaltens aufweist.6 Auch wird angenommen, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eine solche Sucht begünstigen könnten, beispielsweise ein zu geringes Selbstbewusstsein, Perfektionismus oder das Streben nach Erfolg. Zudem werden der Wunsch nach Bewältigung und Entspannung sowie eine Realitätsflucht in Verbindung mit dem Vergessen von Alltagsgeschehnissen mit der Sportsucht in Verbindung gebracht.7

Woran erkennt man Sportsucht aber genau?

Obwohl die Ausübung von viel Sport zunächst nicht besorgniserregend ist, sollten doch bestimmte Warnsignale, die auf eine mögliche Abhängigkeit hindeuten, ernst genommen werden. Dazu zählen die folgenden Merkmale:8

  • Zwanghaftes Verhalten
    Sport wird nicht mit positiven Emotionen wie der Freude an der Bewegung oder dem Naturerlebnis verbunden, sondern das Bedürfnis danach entsteht aus einer negativen Motivation heraus, nämlich aus Zwang. Sportliche Betätigung muss demnach vollzogen werden.
  • Entzugserscheinungen
    Wenn die/der Betroffene daran gehindert wird, sportlich aktiv zu werden, so treten verschiedenste Symptome auf, die mit Entzugserscheinungen zu vergleichen sind. Darunter fallen beispielsweise Nervosität, Gereiztheit, Schlafstörungen, Schuldgefühle, aber auch Magen-Darm-Probleme und schließlich auch depressive Verstimmungen.
  • Toleranzsteigerung
    Um das Suchtbedürfnis zu stillen, werden Trainingseinheiten in immer kürzeren Intervallen und ausdauernder abgehalten.
  • Kontrollverlust
    Weil Sport nicht aus eigener Motivation heraus betrieben wird, sondern ein Zwang dahinter steckt, verlieren Betroffene die Kontrolle über ihr Trainingsausmaß.
  • Missachtung der körperlichen Bedürfnisse
    Regenerationsphasen, Überlastungen sowie Ruhepausen während einer Krankheit werden von Betroffenen ignoriert. Dadurch ist ein selbstschädigendes Verhalten gegeben, welches schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann.
  • Sozialer Rückzug
    Weil das Ausüben von sportlichen Aktivitäten an erster Stelle steht, werden bewusst soziale Kontakte und andere Hobbys vernachlässigt. Dadurch kommt es nicht selten zu zwischenmenschlichen Konflikten. Auch werden häufig berufliche Verpflichtungen vernachlässigt.

Wie eben erwähnt besteht bei der Sportsucht die Gefahr von langfristigen Schädigungen den Körper und die Psyche betreffend. Werden die Schmerzsignale des Körpers ignoriert, Ruhephasen nicht eingelegt oder trainieren Betroffene trotz einer Erkältung oder anderer Infekte, so wird das Herz-Kreislauf-System massiv belastet; es kommt zu Schwindel, Atemproblemen oder Herzstechen und im schlimmsten Fall zu einem Kreislauf-Kollaps oder gar Herzstillstand. Bei Frauen treten zudem Hormonstörungen auf und auch eine Abnahme der Knochendichte kann eine Negativ-Folge dieser Abhängigkeit sein.9

Somit ist eine Behandlung dringend notwendig.

Damit eine solche jedoch erfolgreich sein kann, müssen sich Betroffene ihre Sucht zunächst einmal eingestehen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Menschen, die an einer Sportsucht leiden, sollten sodann dringend Psychotherapeut*innen, Klinische Psycholog*innen sowie Psychiater*innen aufsuchen, um einen angemessenen Umgang mit dem Suchtverhalten zu erlernen. Dabei kommen mehrere Methoden zur Anwendung: Abhängig von der tatsächlichen Ursache der Sportsucht werden verhaltenstherapeutische sowie tiefenpsychologische Ansätze gewählt, um eine Besserung zu erzielen. Sowohl einzel- wie auch gruppentherapeutische Maßnahmen sind dabei mögliche Settings für eine Behandlung.10

Obwohl bei den meisten Suchtkrankheiten wie Alkohol- oder Drogenkonsum ein völliger Verzicht am erfolgversprechendsten ist, so ist dies bei der Sportsucht nicht der Fall. Im Vordergrund steht dabei zwar eine Reduktion des Trainingsausmaßes sowie das Ausprobieren von anderen Sportarten und Freizeitaktivitäten, nicht aber eine vollständige Abstinenz. Schlussendlich ist es nämlich das Ziel, sportliche Betätigung in einem gesundheitsfördernden Ausmaß auszuüben.11

Gemäß den Ausführungen ist also ein angemessenes Trainingsverhalten in jedem Fall von besonderer Wichtigkeit. Wenn aber Veränderungen im Sinne von übertriebener Motivation oder Warnsignale erkennbar werden, die auf eine Sucht hindeuten könnten, sollten die Trainingseinheiten eingeschränkt werden. Ist ein solches Vorgehen jedoch nicht möglich, weil bereits Merkmale einer Sucht vorhanden sind, dann sollte dringend Hilfe in Anspruch genommen werden. Dadurch können nicht nur die eigentlichen Ursachen für die Abhängigkeit ergründet, sondern auch mögliche schwerwiegende gesundheitliche Gefahren abgewendet werden.

 


1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Zwanghaftes Sporttreiben. Zuletzt aktualisiert am 28.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht [Stand: 30.06.2021].

2 Vgl. Boukal, Christian / APA: Sportsucht: Laufen, bis die Füße bluten. In: meinegesundheit.at. Veröffentlicht im Jänner 2016.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.759532 [Stand: 30.06.2021].

3 Boukal, Christian / APA: Sportsucht: Laufen, bis die Füße bluten.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.759532 [Stand: 30.06.2021].

4 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Zwanghaftes Sporttreiben.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht [Stand: 30.06.2021].

5 Vgl. Boukal, Christian / APA: Sportsucht: Laufen, bis die Füße bluten.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.759532 [Stand: 30.06.2021].

6 Vgl. Menke, Nicola: Wenn Sport in einen zwanghaften Drang ausartet. In: WeLT.de. Veröffentlicht am 13.11.2013.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article121842445/Wenn-Sport-in-einen-zwanghaften-Drang-ausartet.html [Stand: 30.06.2021].

7 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Zwanghaftes Sporttreiben.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht [Stand: 30.06.2021] und
vgl. Röcker, Annika: „Wer sportsüchtig ist, kann an nichts anderes mehr denken“. Interview. In: Spektrum.de. Veröffentlicht am 27.05.2021.
URL: https://www.spektrum.de/news/verhaltensabhaengigkeit-wann-wird-sport-zur-sucht/1874785 [Stand: 30.06.2021].

8 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Symptome & Folgen. Zuletzt aktualisiert am 28.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht-symptome [Stand: 30.06.2021].

9 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Symptome & Folgen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht-symptome [Stand: 30.06.2021].

10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: „Sportsucht“: Symptome & Folgen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht-symptome [Stand: 30.06.2021].

11 Vgl. Röcker, Annika: „Wer sportsüchtig ist, kann an nichts anderes mehr denken“. Interview.
URL: https://www.spektrum.de/news/verhaltensabhaengigkeit-wann-wird-sport-zur-sucht/1874785 [Stand: 30.06.2021].

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Veröffentlicht am: 04.08.2021