Dem Ärger Luft machen

 

Nicht immer können wir den Alltag fröhlich und unbeschwert bestreiten; ab und zu sind wir verärgert, wütend oder zornig – natürliche Emotionen, die aber nicht von Dauer sein dürfen, da sie Körper und Seele Schaden zufügen.

So wie wir manchmal fröhlich, heiter oder beschwingt sind, so fühlen wir uns hin und wieder auch niedergeschlagen oder traurig, ängstlich oder panisch. Und durch die Bandbreite der menschlichen Gefühle stehen uns zudem Emotionen wie Ärger, Wut oder Zorn zur Verfügung. Was löst Rage aber in uns aus und warum kann sie unsere Gesundheit negativ beeinflussen, sodass es sich lohnt, zu lernen, die eigene Wut zu kontrollieren?

Wut und Ärger sichtbar machen

Wir alle finden uns ab und zu in Situationen wieder, die uns ‚auf die Palme bringen‘, uns ‚vor Wut kochen lassen‘. Und nicht immer können wir diese Gefühlsregung verstecken, denn die Emotion wird rasch über unsere Mimik sichtbar: Wir ziehen unsere Augenbrauen zusammen und der Blick wird stechend. Gleichzeitig schieben wir unseren Unterkiefer nach vorne und pressen die Lippen aufeinander, manchmal zeigen wir sogar unsere Zähne.1 Und dieser Gesichtsausdruck bleibt auch anderen nicht verborgen: Studien belegen, dass Wut aufgrund des einzigartigen mimischen Zusammenspiels schneller von den Mitmenschen erkannt wird als Freude.2

Wenn wir in Rage geraten, reagiert unser Körper ebenso auf besondere Art und Weise: Wir schütten die Hormone Adrenalin, Noradrenalin, Testosteron und Cortisol in einem erhöhten Ausmaß aus, wodurch Stress erzeugt wird. Gleichzeitig steigen unsere Herzfrequenz und der Blutdruck.3 Doch warum bzw. wann kommt es überhaupt zu dieser Gefühlsregung?

Der Wut auf den Grund gehen

Der amerikanische Psychologe und Gefühlsforscher Paul Ekman erklärt die Ursache für aufwallende Wut wie folgt: „Wir werden zornig, wenn wir etwas im Kopf haben, eine Vision oder ein Ziel – und jemand oder etwas hindert uns daran, dorthin zu gelangen“4. Wenn eine Situation oder ein Ereignis demnach einen anderen Ausgang nimmt als den von uns intendierten, so fühlen wir uns unfair behandelt, gekränkt oder gar bedroht, aber auch hilflos und von unserem Ziel abgehalten.5 Sind wir zornig, möchten wir folglich das Hindernis bzw. Problem beseitigen, im Falle der Gefühlsregung dann mittels Drohung oder Angriff.6

Den Ärger unterdrücken? Oder ihm doch besser Luft machen?

Lässt man seiner Wut freien Lauf, so wird dies von den Mitmenschen negativ wahrgenommen. Der italienische Hirnforscher Giovanni Frazzetto meint sogar, dass ein Wutausbruch negative Folgen die gesellschaftliche Stellung sowie die Beziehung zu anderen Menschen betreffend nach sich ziehen könne.7 Deswegen wird im Allgemeinen vielfach empfohlen, die Wut ‚runterzuschlucken‘. Forscher*innen raten von diesem Vorgehen aber ab, denn „aufgestauten Ärger abzulassen, ist grundsätzlich gesünder, als ihn in sich hineinzufressen“8, wie der in Wien lebende Trainer für Stress- und Zeitmanagement sowie Arbeitsmethodik, Burkhard Heidenberger, erklärt. Werden nämlich Ärger und anhaltende Wut nicht zum Ausdruck gebracht, dann kann dies Folgen für die physische und psychische Gesundheit haben: Nicht nur das Immunsystem wird auf Dauer stark geschwächt, sodass wir anfälliger für Infektionen sind, sondern auch Magenprobleme, erhöhter Blutdruck und sogar Herzerkrankungen, Nierenschäden oder Diabetes sind Folgen von unterdrückter Wut. Gleichermaßen leidet das psychische Wohlbefinden, denn anhaltender, aber nicht zum Ausdruck gebrachter Ärger führt zu Depressionen, Angstzuständen und begünstigt Suchterscheinungen.9

Wird die Gefühlsregung andernfalls zu einem Dauerzustand, kann sie in ein gewalttätiges Verhalten umschlagen. Scheinbare Bewältigungsmechanismen wie Alkohol- oder Drogenkonsum können ebendiese Aggressionen mit Gewaltbereitschaft hervorrufen. Die Emotion gerät in beiden Fällen außer Kontrolle und nimmt starken negativen Einfluss auf die Mitmenschen und auf die Beziehungen zu ihnen,10 führt nicht zuletzt – wie von Frazzetto angemerkt – zu einem möglichen gesellschaftlichen Ausschluss.11

Somit sollte Ärger weder unterdrückt noch unkontrolliert offenbart werden – ein Mittelweg im Umgang mit Wut muss deswegen gefunden werden.

Verstimmungen erkennen, Wut kontrollieren und eine Balance finden

Zunächst ist es wichtig, dass man Signale von aufkeimendem oder bereits vorhandenem Ärger nicht ignoriert und somit einen achtsameren Umgang mit den eigenen Gefühlen pflegt. Schon Schwierigkeiten, sich zu entspannen, oder eine generelle körperliche Anspannung sowie erhöhte Irritierbarkeit und eine stärker ausgeprägte Konfliktbereitschaft können bereits Anzeichen dafür sein.

In einem ersten Schritt sollten die negativen Gefühle verschriftlicht oder in einem Gespräch mit Vertrauten zum Ausdruck gebracht werden, um sich Ärgernisse quasi ‚von der Seele zu reden‘. Auch als persönlich wirksam empfundene Maßnahmen, um Wut zu dämpfen – beispielsweise Sport oder Hobbys –, können den durch Ärger gesteigerten Stresslevel wieder senken. Ebenso helfen Achtsamkeitstrainings dabei, Wut bewusst wahrzunehmen und schließlich zu benennen.12 Im Akutfall wird eine ‚Pause‘ empfohlen: „Bis zehn zählen, aus dem Raum gehen, tief Luft holen“13, so der deutsche Diplompsychologe Christoph Burger. Diese Verschnaufpause ermögliche es, die Fassung zurückzugewinnen. Dennoch, so Burger, müsse der Ärger danach trotzdem zum Ausdruck gebracht werden, indem man deutlich mache, was als störend empfunden werde bzw. zu dieser Gefühlsregung geführt habe.14

Wut kann auch Positives mit sich bringen

Ein weiterer Bewältigungsmechanismus, um mit Wut besser umzugehen – die durch die Emotion entstandene Energie für sich gewinnbringend nutzen, denn „[g]rundsätzlich ist Ärger ein gesundes Gefühl“15, so die Schweizer Psychologin Verena Kast. „Man spürt Energien, um etwas zu verändern“16, wie sie weiter ausführt. Wut ist demgemäß ein unterstützender Gemütszustand beim Suchen nach alternativen Problemlösungen und regt somit die Kreativität an.17

Zusammenfassend gilt, zuerst persönliche Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Ärger und Wut zu erarbeiten. „Das ist ein längerer Prozess“18, wie Burger meint, aber wichtig ist es, Wut zum Ausdruck zu bringen, ohne den Mitmenschen Schaden zuzufügen. Wenn die individuell festgelegten ‚Ventile‘ und Achtsamkeitstrainings nicht zielführend sind und die Wut folglich ein nicht kontrollierbares Ausmaß annimmt, wird neben sogenannten Anti-Aggressionstrainings zur Vorbeugung eines schädlichen Verhaltens auch das Suchen nach professioneller Hilfe empfohlen. Im Rahmen einer Psychotherapie oder klinisch-psychologischen Behandlung kann das cholerische Verhalten aufgezeigt werden; Betroffene lernen gleichzeitig, wie sie Wutausbrüche besser kontrollieren bzw. regulieren.19 Im Generellen muss Wut aber zugelassen werden und kann sogar gewinnbringend genutzt werden. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass der Gemütszustand nicht von längerer Dauer ist, damit die Emotion weder Einfluss auf die Beziehung zu Mitmenschen noch auf Körper und Psyche nimmt.

 


1 Vgl. Lubbadeh, Jens: Zorn. In: zeit.de. Veröffentlicht am 18.02.2016.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/02/emotionen-limbisches-system-amygdala-zorn [Stand: 15.12.2021].

2 Vgl. Oberberg Kliniken: Die Macht von unterdrückten Gefühlen: Wie sich innere Wut auf die psychische Gesundheit auswirken kann.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-von-unterdrueckten-gefuehlen-wie-sich-innere-wut-auf-die-psychische-gesundheit-auswirken-kann [Stand: 15.12.2021].

3 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Umgang mit Wut, Ärger & Co. Aktualisiert am 25.09.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/wut-tipps [Stand: 15.12.2021].

4 Lubbadeh, Jens: Zorn.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/02/emotionen-limbisches-system-amygdala-zorn [Stand: 15.12.2021].

5 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Umgang mit Wut, Ärger & Co.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/wut-tipps [Stand: 15.12.2021].

6 Vgl. Lubbadeh, Jens: Zorn.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/02/emotionen-limbisches-system-amygdala-zorn [Stand: 15.12.2021].

7 Vgl. Lubbadeh, Jens: Zorn.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/02/emotionen-limbisches-system-amygdala-zorn [Stand: 15.12.2021].

8 Albrecht, Friederike: Wie man Wut gewinnbringend nutzen kann. In: welt.de. Veröffentlicht am 06.06.2012.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106421466/Wie-man-Wut-gewinnbringend-nutzen-kann.html [Stand: 15.12.2021].

9 Vgl. Oberberg Kliniken: Die Macht von unterdrückten Gefühlen: Wie sich innere Wut auf die psychische Gesundheit auswirken kann.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-von-unterdrueckten-gefuehlen-wie-sich-innere-wut-auf-die-psychische-gesundheit-auswirken-kann [Stand: 15.12.2021].

10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Umgang mit Wut, Ärger & Co.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/wut-tipps [Stand: 15.12.2021].

11 Vgl. Lubbadeh, Jens: Zorn.
URL: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/02/emotionen-limbisches-system-amygdala-zorn [Stand: 15.12.2021].

12 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Umgang mit Wut, Ärger & Co.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/wut-tipps [Stand: 15.12.2021].

13 Albrecht, Friederike: Wie man Wut gewinnbringend nutzen kann.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106421466/Wie-man-Wut-gewinnbringend-nutzen-kann.html [Stand: 15.12.2021].

14 Vgl. Albrecht, Friederike: Wie man Wut gewinnbringend nutzen kann.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106421466/Wie-man-Wut-gewinnbringend-nutzen-kann.html [Stand: 15.12.2021].

15 Rytina, Susanne: Der Ärger muss raus – aber richtig. In: spiegel.de. Veröffentlicht am 02.12.2014.
URL: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/wut-forscher-erklaeren-wie-man-mit-aerger-richtig-umgeht-a-1004733.html [Stand: 15.12.2021].

16 Rytina, Susanne: Der Ärger muss raus – aber richtig.
URL: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/wut-forscher-erklaeren-wie-man-mit-aerger-richtig-umgeht-a-1004733.html [Stand: 15.12.2021].

17 Vgl. Albrecht, Friederike: Wie man Wut gewinnbringend nutzen kann.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106421466/Wie-man-Wut-gewinnbringend-nutzen-kann.html [Stand: 15.12.2021].

18 Albrecht, Friederike: Wie man Wut gewinnbringend nutzen kann.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106421466/Wie-man-Wut-gewinnbringend-nutzen-kann.html [Stand: 15.12.2021].

19 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Umgang mit Wut, Ärger & Co.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/wut-tipps [Stand: 15.12.2021].

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Veröffentlicht am: 12.01.2022