Beschämt und beleidigt – mit Kränkungen richtig umgehen

 

Ob beabsichtigt oder nicht – wir alle fühlen uns das ein oder andere Mal von den Mitmenschen auf bestimmte Art und Weise gekränkt. Vordergründig ist dann vor allem, wie damit richtig umgegangen wird, denn begleiten uns Kränkungen über einen langen Zeitraum hinweg, kann dies physische und psychische Folgen nach sich ziehen.

Wenn wir Selbstgekochtes servieren, das wir mit viel Aufwand und Mühe zubereitet haben, aber feststellen müssen, dass es den Anwesenden nicht schmeckt; oder wenn wir verabredet sind, die-/derjenige jedoch nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erscheint, sogar auf die gemeinsame Freizeit vergessen hat; auch dann, wenn wir in einen Arbeitsauftrag viel Zeit und Perfektion investiert haben, dies aber vom Chef nicht anerkannt wird – in all diesen Situationen können unterschiedlichste negative Gefühle in uns entstehen, die unter dem Begriff Kränkung zusammengefasst werden. Doch warum fühlen wir uns manchmal durch Mimik, Gestik und vor allem durch Worte und Handlungen verletzt? Sind wir dann einfach zu ‚dünnhäutig‘? Und wie wirkt sich Kränkung auf die Gesundheit, vor allem auf das psychische Wohlbefinden aus?

Keine Emotion der Schwäche

Das Gefühl, gekränkt worden zu sein, ist jedenfalls eine normale Emotion, denn „[w]ir sind kränkbar, weil wir als Menschen in unserem Innersten berührbar sind“1, wie die deutsche Familienpsychologin Anna Salewski erläutert. Wann fühlen wir uns aber wirklich beleidigt, zurückgewiesen oder bloßgestellt? „Eine Kränkung ist die vermeintliche oder tatsächliche Verletzung eines Menschen in seiner Ehre, seinen Werten, seinen Gefühlen und seiner Selbstachtung“2, so Salewskis Definition. Weil wir aber unsere verletzliche Seite nicht gerne zeigen, tun wir uns des Öfteren schwer damit, zuzugeben, soeben gekränkt worden zu sein. Und nicht immer weiß unser Gegenüber, dass wir uns durch eine entsprechende verbale oder nonverbale Handlung gedemütigt fühlen, denn eine Kränkung ist immer eine persönliche und subjektive Empfindung.3

Da das Gefühl, gekränkt worden zu sein, häufig als Schwäche ausgelegt wird, versuchen wir deswegen oftmals, die tatsächlichen Emotionen zu verbergen. In manchen Fällen sollte auch nicht jedes Wort, jede Mimik oder Gestik auf die ‚Waagschale‘ gelegt werden, denn nicht jede vermeintlich abwertende Handlung wird vom Kränkenden als solche wahrgenommen bzw. ist beabsichtigt.4 Im Generellen entscheidet nämlich manchmal die aktuelle Tagesverfassung, der momentane Stresslevel oder das derzeit allgemeine Wohlbefinden darüber, wie robust man ist und ob man eine (scheinbare) Kränkung auch wirklich als solche überhaupt auffasst bzw. bemerkt.5

Anhaltende Kränkungen machen krank

Ist man jedoch ständig offenkundigen Kränkungen ausgesetzt, kann dies Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit nach sich ziehen, vor allem dann, wenn diese nicht verarbeitet werden und man sich noch lange nach der entsprechenden Situation damit beschäftigt. Durch den so ausgelösten Stress wird nicht nur das Immunsystem nachhaltig geschwächt, sondern auch die Seele stark belastet. Ein inadäquater Umgang mit fortwährenden Kränkungen kann deswegen zu Verbitterung bis hin zu Depressionen führen, da der Fokus auf Negativem liegt. Angst- oder Essstörungen sowie Suchterkrankungen und psychosomatische Krankheiten (Rückenschmerzen, Hautausschläge etc.) können weitere Folgen von andauernden Kränkungssituationen sein.6

Selbstbewusstsein stärken, um Kränkungen besser zu überwinden

Um sich gegen Kränkungen jeglicher Art besser zu schützen bzw. einen angemessenen Umgang mit ihnen zu erlernen, steht an erster Stelle die Stärkung des Selbstbewusstseins: Menschen, die in der Vergangenheit unter fehlender Wertschätzung oder Anerkennung sowie mangelnder Zuwendung gelitten haben oder sich in der aktuellen Lage damit konfrontiert sehen, infolgedessen der eigene Selbstwert eher gering ist, sind angreifbarer für kränkende Handlungen.7 Die deutsche Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki veranschaulicht dies anhand eines Beispiels wie folgt: „Wenn ich mich selbst nicht gut genug empfinde, dann kann schon eine hochgezogene Augenbraue vom Chef genügen, dass ich mich völlig unfähig und wertlos fühle“8. Deswegen gilt es, am eigenen Selbstbewusstsein zu arbeiten, zu welchem ein gesunder Stolz auf sich selbst, das soziale Netzwerk oder eine generell positive Sichtweise wesentlich beitragen.9

Tipps im Umgang mit kränkenden Handlungen

Neben einem ausgeprägten Selbstbewusstsein können weitere Aspekte dazu beitragen, mit Kränkung besser umzugehen:10

  • Reine Kopfsache – Was geht mir nahe?
    Im Zusammenhang mit der Stärkung des Selbstbewusstseins steht die persönliche Grundeinstellung, wie mit der Kränkung umgegangen wird. Lässt man diese nicht allzu nahe an sich heran bzw. verarbeitet man sie adäquat, schützt man sich auch besser vor ihr. In Gedanken die entsprechende kränkende Situation immerfort ‚durchzuspielen‘, sollte deswegen bewusst unterbunden werden.
  • Darüber reden oder schreiben
    Mit einer vertrauten Person über die Kränkungssituation zu sprechen, kann ein heilsamer Prozess sein, denn „[n]ormalerweise spült man eine Wunde, weil sie verunreinigt ist, im übertragenen Sinn kann es helfen, sich auszusprechen – indem man die entstandenen Gefühle in Worte fasst“11, wie Walter Neubauer, Leiter des Departments für Psychosomatik für Erwachsene des Klinikums Wels-Grieskirchen erläutert. Auch das schriftliche Festhalten kann dabei helfen, die Gedanken zu ordnen, denn so „entsteht Orientierung und ich kann mich entscheiden, wie ich weiter agiere“12, so Neubauer weiter erklärend.
  • Auf die Kränkung hinweisen
    Fühlt man sich aufgrund von Worten, Gestik oder Mimik verletzt, sollte man dies dem Gegenüber mitteilen und keine Angst davor haben, als zu ‚empfindlich‘ wahrgenommen zu werden.
  • Was steckt hinter der Kränkung?
    Obwohl es schwerfällt, Fehler bei sich selbst zu suchen, muss man doch in Betracht ziehen, ob hinter einer scheinbaren Kränkung nicht konstruktive Kritik stecken könnte.
  • Verzeihen können
    Indem man versucht, entsprechende Kränkungshandlungen zu verzeihen, entzieht man der/dem Kränkenden die Macht über die eigene Gefühlswelt. Dadurch verringern sich gleichzeitig Stresssymptome sowie psychosomatische Beschwerden, wie Studien belegen.

Zusätzliche Tipps können dazu beitragen, selbst weniger kränkend und sensibler mit Mitmenschen umzugehen: Zuallererst sollte man sich aufrichtig entschuldigen, wenn man feststellt, dass man jemanden verletzt hat. Auch die Selbstreflexion dahin gehend, wie man in Zukunft entsprechende kränkende Handlungen vermeidet und wie man selbst gerne behandelt werden möchte, können dazu beitragen, Mitmenschen umsichtiger zu agieren.13 Fakt ist aber, dass eine Kränkung im Generellen nicht vermeidbar ist, denn [j]eder kränkt manchmal andere – auch unbewusst. Man kann nicht nicht kränken. Und: Man kann nicht nicht gekränkt sein“14, so Neubauer. Es gilt also, einen angemessenen Umgang mit Kränkungen zu erlernen, um psychischen Belastungen vorzubeugen. Denn auch, wenn es sich nicht vermeiden lässt, das ein oder andere Mal beleidigt, zurückgewiesen oder beschämt zu werden, so steht dabei doch im Vordergrund, entsprechende Handlungen richtig zu verarbeiten und diese selbst anderen gegenüber zu vermeiden, um das seelische Wohlbefinden aufrechtzuerhalten.

 


1 BR Fernsehen: So gehen Sie am besten mit Kränkungen um. In: br.de. Veröffentlicht am 19.10.2021.
URL: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/wir-in-bayern/service/kraenkungen-richtiger-umgang-probleme-familientherapeutin-birgit-salewski-100.html [Stand: 29.03.2022].

2 BR Fernsehen: So gehen Sie am besten mit Kränkungen um.
URL: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/wir-in-bayern/service/kraenkungen-richtiger-umgang-probleme-familientherapeutin-birgit-salewski-100.html [Stand: 29.03.2022].

3 Vgl. BR Fernsehen: So gehen Sie am besten mit Kränkungen um.
URL: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/wir-in-bayern/service/kraenkungen-richtiger-umgang-probleme-familientherapeutin-birgit-salewski-100.html [Stand: 29.03.2022].

4 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Kränkungen und ihre Folgen. Aktualisiert am 30.08.2018.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/kraenkungen-folgen [Stand: 29.03.2022].

5 Vgl. Rainer, Dorothe: Kränkung: Wer sich selbst gut kennt, ist besser geschützt. In: kurier.at. Veröffentlicht am 14.02.2019.
URL: https://kurier.at/gesund/kraenkung-wer-sich-selbst-gut-kennt-ist-besser-geschuetzt/400391864 [Stand: 29.03.2022].

6 Vgl. Petschnegg, Laura: Wie Sie Kränkungen überwinden können. In: zentrum-der-gesundheit.de. Veröffentlicht am 24.03.2022.
URL: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/ratgeber/lebenshilfe/kraenkung-ueberwinden [Stand: 29.03.2022] und
vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Kränkungen und ihre Folgen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/kraenkungen-folgen [Stand: 29.03.2022].

7 Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Kränkungen und ihre Folgen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/kraenkungen-folgen [Stand: 29.03.2022].

8 Rainer, Dorothe: Kränkung: Wer sich selbst gut kennt, ist besser geschützt.
URL: https://kurier.at/gesund/kraenkung-wer-sich-selbst-gut-kennt-ist-besser-geschuetzt/400391864 [Stand: 29.03.2022].

9 Tipps, wie Sie Ihr Selbstbewusstsein stärken, finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 27.04.2022 „Bewusst selbstbewusst“ »»

10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Anti-Kränkungs-Tipps. Aktualisiert am 30.08.2018.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/kraenkungen-anti-kraenkungs-tipps [Stand: 29.03.2022] und
vgl. Petschnegg, Laura: Wie Sie Kränkungen überwinden können.
URL: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/ratgeber/lebenshilfe/kraenkung-ueberwinden [Stand: 29.03.2022]

11 Klinikum Wels-Grieskirchen: Von Kränkung und Krankheit zu Gesundheit und Glück – wie schaff ich das? In: klinikum-wegr.at.
URL: https://www.klinikum-wegr.at/aktuell/von-kr%C3%A4nkung-und-krankheit-zu-gesundheit-und-gl%C3%BCck-wie-schaff-ich-das [stand: 29.03.2022].

12 Klinikum Wels-Grieskirchen: Von Kränkung und Krankheit zu Gesundheit und Glück – wie schaff ich das?
URL: https://www.klinikum-wegr.at/aktuell/von-kr%C3%A4nkung-und-krankheit-zu-gesundheit-und-gl%C3%BCck-wie-schaff-ich-das [stand: 29.03.2022].

13 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Anti-Kränkungs-Tipps.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/kraenkungen-anti-kraenkungs-tipps [Stand: 29.03.2022]

14 Klinikum Wels-Grieskirchen: Von Kränkung und Krankheit zu Gesundheit und Glück – wie schaff ich das?
URL: https://www.klinikum-wegr.at/aktuell/von-kr%C3%A4nkung-und-krankheit-zu-gesundheit-und-gl%C3%BCck-wie-schaff-ich-das [stand: 29.03.2022].

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Veröffentlicht am: 11.05.2022