Beschäftigt vs. produktiv – Fauxductivity

 

Das Erledigen von To-dos im Berufsalltag geht mit einem befriedigenden Gefühl einher. Wenn man jedoch scheinbar geschäftig arbeitet, die Aufgabenliste dabei aber nur größer wird, sollte genauer hingesehen werden.

Die eine Kollegin läuft hektisch durch die Bürogänge, hat dabei Unterlagen und Ordner in der einen Hand, während sie mit der anderen das Handy ans Ohr hält. Der andere Kollege hämmert sichtlich gestresst auf seine Tastatur ein, starrt dabei offenbar konzentriert auf den Bildschirm und hat keine Zeit für ein kurzes Gespräch… Und dennoch können gerade diese Kolleg*innen am Ende des Tages über keinen wesentlichen Output berichten, klagen vielleicht sogar über noch mehr To-dos auf der Liste. Dahinter kann das Phänomen der Pseudo-Produktivität oder geschäftigen Unproduktivität stecken, das im Englischen unter ‚Fauxductivity‘ bekannt ist, eine Wortkombination aus ‚faux‘ für ‚unecht‘ und ‚productivity‘ (Produktivität).1

Pseudo-Produktivität als Copingstrategie

Dieses Phänomen – man wirkt auf Außenstehende äußerst beschäftigt, kann jedoch keine nennenswerten Arbeitsfortschritte präsentieren – sollte dabei nicht vorschnell als perfide Methode von Kolleg*innen wahrgenommen werden, sich vor (mehr) Arbeit zu drücken: „Wenn das Phänomen auftritt, ist das ein absolutes Warnsignal“2, sagt nämlich die deutsche Psychologin Ivon Ames und betont, dass selten Faulheit oder Unfähigkeit hinter Fauxductivity stecken würde: „Menschen wollen ihre Arbeit gut machen. Wenn sie das nicht tun, liegen die Gründe dafür sehr häufig in den Arbeitsbedingungen“3, so Ames.4

Deswegen sei Fauxductivity als Bewältigungsstrategie zu sehen, um individuelle psychische oder physische Belastungen zu reduzieren. Sie komme immer dann zur Anwendung, „wenn Anforderungen und Ressourcen im Ungleichgewicht sind. Oft fehlen im Unternehmen Feedback, Anerkennung und Gestaltungsmöglichkeiten“5, wie Ames erläutert. Dabei kann vor allem ein Zuviel an Arbeit zu Pseudo-Produktivität führen: Insbesondere engagierte Beschäftigte seien davon betroffen, „leisten viele Überstunden und arbeiten auch, wenn sie krank sind“6, wie sie erklärt. Irgendwann ergebe sich daraus eine geschäftige Unproduktivität, mit der Betroffene der Belastung bzw. dem Erschöpfungszustand entgegenwirken – Fauxductivity wird dabei zu einer Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit fehlende Pausen zu gönnen.7

Auch Unterforderung im Job kann Pseudo-Produktivität begünstigen, nämlich dann, wenn den Mitarbeitenden „Aufgaben fehlen und sie nicht ausgelastet sind“8, sagt Ames. Und trotzdem seien es genau diese, die „dann zum Beispiel morgens die Ersten und abends die Letzten im Büro“9 seien. So werden beispielsweise Aufgaben unnötig lange bearbeitet aus Angst, den Job zu verlieren. Gleichzeitig soll dies verhindern, weitere Aufgaben übernehmen zu müssen, die nur beschäftigen, aber nicht individuell sinnstiftend erscheinen.10

Zeitfressende Tätigkeiten und Agenden

Nicht immer steht Fauxductivity jedoch im Zusammenhang mit Unter- oder Überforderung im Arbeitsalltag, sondern schlicht und einfach auch mit sinnlosen Arbeitsprozessen und Terminen, die die Produktivität hemmen. Expert*innen verweisen hier vor allem auf zeitraubende Meetings, von denen es zu viele gebe, die häufig jedoch ohne Ergebnis bleiben und selten Fortschritte bringen würden. Ablenkend seien ebenso die ständig plaudernden Kolleg*innen, zu viele (unnötige) E-Mails im Postfach oder zu viele unterschiedliche IT-Tools, deren Funktionsweisen und Nutzen den Mitarbeitenden nicht ausreichend erklärt worden seien. Pseudo-Produktivität wird außerdem gefördert durch unklare Zuständigkeiten im Unternehmen und in diesem Zusammenhang auch durch zu lange Entscheidungswege.11 Der Arbeitspsychologe Markus Väth resümiert: „Der hohe Anteil der Arbeitszeit, die wir mit Koordination der Arbeit verbringen, hält uns davon ab, echte Arbeit zu leisten, die für uns sinnvoll und für andere wirksam ist“12. Dies bestätigt auch eine große Studie des globalen Beratungsunternehmens Deloitte: Arbeitnehmer*innen würden etwa 41 % der täglichen Arbeitszeit mit nicht sinnstiftenden Tätigkeiten verbringen; 68 % gaben sogar an, zu wenig Zeit für wirklich wichtige Aufgaben zu haben.13

Fauxductivity erkennen

Ob nun Über- oder Unterforderung im Berufsalltag oder arbeitshemmende Prozesse sowie unnötige Termine – Fauxductivity zeigt in all diesen Fällen häufig eine fehlende Sinnperspektive mit mangelnder Motivation im Job an und macht sich durch bestimmte Anzeichen bemerkbar.14 Neben der bereits erwähnten Anwesenheit in zahllosen Meetings, die ohne Ergebnis bleiben und damit unnötig Zeit in Anspruch nehmen, sind weitere Merkmale für Pseudo-Produktivität

  • eine Überfokussierung unwichtiger Aufgaben (wie das Sortieren von E-Mails oder Organisieren von Kalendereinträgen), während dringende Projekte nicht bearbeitet werden,
  • Perfektionismus, der in unwichtige Tätigkeiten fließt (zu viel Zeit in Formatierungstätigkeiten investieren), genauso wie
  • ständiges Multitasking (viele Aufgaben gleichzeitig machen, aber keine davon abschließen) und schließlich
  • eine akribische Planung von Arbeitsprozessen (To-do-Listen erstellen oder IT-Tools testen), ohne mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen.15

Produktivität steigern

Werden die eben genannten Fauxductivity-Methoden beobachtet – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen – gilt es, herauszufinden, weswegen die Produktivität gehemmt ist, aber vorgetäuscht wird. Sind es die zuvor erwähnten ‚Zeiträuber‘ – endlose Meetings, der Tratsch mit Kolleg*innen oder das überfüllte E-Mail-Postfach –, dann empfehlen Expert*innen vor allem eine Planung des Arbeitstages: Schwerpunkte und Ziele setzen, eigene Aufgaben fokussieren mit gleichzeitiger Abgrenzung von Themenbereichen, die nicht in die eigene Zuständigkeit fallen. Vor Ablenkungen könne zudem eine Strukturierung des Arbeitstages schützen, wie die deutsche Arbeitspsychologin Mariella Zippert erklärt. So könne der Tag eingeteilt werden „in kommunikative Teile und Ruhezeiten für Konzentrationsarbeiten. Dafür sollte man Zeitslots einplanen, die bestenfalls auch für die Kollegen, etwa über einen geteilten Kalender einsehbar sind“16, wie sie rät.17

Auch verschiedene Techniken können dabei unterstützen, die eigene Produktivität zu steigern – und dabei spielt häufig die Zeit eine wichtige Rolle: So empfehlen Expert*innen beispielsweise, unliebsame Arbeiten zu Beginn eines Arbeitstages innerhalb einer bestimmten Zeit zu bearbeiten. Eine andere Methode fokussiert die Bearbeitung einer einzigen Aufgabe, während E-Mails, Pop-ups etc. für beispielsweise 15 Minuten ignoriert werden. So wird verhindert, dass viele Dinge gleichzeitig bearbeitet, aber nicht fertiggestellt werden.18

Und wenn Pseudo-Produktivität im Rahmen von Über- oder Unterforderung auftritt? Florian Schweden, Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung in Hamburg, ermutigt dazu, „mit dem Vorgesetzten über seine Belastungen [zu] sprechen. Denn es gibt viele Führungskräfte, die für das Problem offen sind“19. So könne nicht zuletzt herausgefunden werden, ob Fauxductivity auf individuelle oder systemische Problemstellungen zurückgeführt werden müsse, wie er ausführt. Laufen solche Gespräche jedoch ins Leere und ändere sich für die betroffenen Personen nichts Wesentliches, so solle wirklich die Kündigung als Konsequenz in Betracht gezogen werden, wie Schweden betont. Eine Pro- und Kontra-Liste könne hier hilfreich sein, die Vor- und Nachteile des aktuellen Jobs respektive eines Jobwechsels zu erkennen und so auch eine Entscheidungshilfe zu haben.20

Festgehalten werden muss, dass Pseudo-Produktivität in seltenen Fällen auf unkollegiales Verhalten von Personen zurückzuführen ist, sondern häufig Ausdruck von individuellen Belastungen im Arbeitsalltag ist. Es gilt, ebendiese zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dadurch treten Mitarbeitende motivierter an Aufgabenstellungen heran und gleichzeitig steigert sich deren Produktivität. Nicht zuletzt bedeutet das Bekämpfen von Fauxductivity auch die Förderung der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter*innen.

 


1 Vgl. Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist. In: rnd.de. Veröffentlicht am 23.09.2025.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

2 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

3 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

4 Vgl. Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

5 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

6 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

7 Vgl. Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

8 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

9 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

10 Vgl. Koxeder, Birgit: Bore-out Syndrom. In: meinegesundheit.at. Aktualisiert am 22.09.2020.
URL: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.690190 [Stand: 09.10.2025] und
vgl. Zoidl, Franziska: Boreout statt Burnout: Wenn Unterforderung krank macht. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 08.04.2021.
URL: https://www.derstandard.de/story/2000125350807/boreout-statt-burnout-wenn-unterforderung-krank-macht [Stand: 09.10.2025].

11 Vgl. mba / dpa dw: Schneller fertig mit der Arbeit – so steigern Sie Ihre Produktivität.
URL: https://rp-online.de/leben/beruf/beruf-so-schaffen-sie-ihren-job-in-kuerzerer-zeit_aid-124521271 [Stand: 09.10.2025].

12 Boes, Stefan: Na, heute wieder nichts geschafft? In: rnd.de. Veröffentlicht am 10.07.2025.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/deloitte-studie-68-prozent-der-arbeitnehmer-haben-zu-wenig-zeit-fuer-ihre-eigentliche-arbeit-45NAQNY4JVGO5DN73YEF7RVMMY.html [Stand: 09.10.2025].

13 Vgl. Deloitte Human Capital Trends: Arbeit am Anschlag – Mitarbeitende haben keine Zeit für Innovation und Kreativität. In: deloitte.com. Veröffentlicht am 09.04.2025.
URL: https://www.deloitte.com/at/de/about/press-room/2025/deloitte-human-capital-trends-2025.html [Stand: 09.10.2025].

14 Vgl. mba / dpa dw: Schneller fertig mit der Arbeit – so steigern Sie Ihre Produktivität.
URL: https://rp-online.de/leben/beruf/beruf-so-schaffen-sie-ihren-job-in-kuerzerer-zeit_aid-124521271 [Stand: 09.10.2025].

15 Vgl. FOCUS-online-Redaktion / dpa: Kollege Blender: „Fauxductivity“ vergiftet das Büroklima, doch das muss nicht sein.
URL: https://www.focus.de/finanzen/karriere/kollege-blender-fauxductivity-vergiftet-das-bueroklima-doch-das-muss-nicht-sein_bad663b7-ed00-417d-a70a-7e985ec29308.html [Stand: 09.10.2025].

16 mba / dpa dw: Schneller fertig mit der Arbeit – so steigern Sie Ihre Produktivität.
URL: https://rp-online.de/leben/beruf/beruf-so-schaffen-sie-ihren-job-in-kuerzerer-zeit_aid-124521271 [Stand: 09.10.2025].

17 Vgl. mba / dpa dw: Schneller fertig mit der Arbeit – so steigern Sie Ihre Produktivität.
URL: https://rp-online.de/leben/beruf/beruf-so-schaffen-sie-ihren-job-in-kuerzerer-zeit_aid-124521271 [Stand: 09.10.2025].

18 Vgl. mba / dpa dw: Schneller fertig mit der Arbeit – so steigern Sie Ihre Produktivität.
URL: https://rp-online.de/leben/beruf/beruf-so-schaffen-sie-ihren-job-in-kuerzerer-zeit_aid-124521271 [Stand: 09.10.2025].

19 Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

20 Vgl. Schreiber, Anja: Pseudo-Produktivität im Arbeitsalltag: Warum das immer ein Warnsignal ist.
URL: https://www.rnd.de/beruf-und-bildung/fauxductivity-pseudo-produktivitaet-im-job-ist-immer-ein-warnsignal-BTCNJJV4FRG6HEJQV2AXYPSLME.html [Stand: 09.10.2025].

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Veröffentlicht am: 15.10.2025