Auch die Seele braucht Erste Hilfe

 

Wie reagieren wir richtig, wenn es jemandem in unserem Umfeld offensichtlich schlecht geht? Diese Frage ist zentraler Gegenstand des 12-Stunden-Seminars „Erste Hilfe für die Seele“.

„Bevor Sie als Ersthelferin/Ersthelfer aktiv werden, versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und atmen Sie tief durch. Es ist vollkommen normal, dass Sie in dieser Situation aufgeregt sind. Handeln Sie Schritt für Schritt, und rufen Sie sich Ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse in Erinnerung. Denken Sie daran: der einzige Fehler, den Sie machen können, ist nichts zu tun“.1

Diese Beschreibung der Redaktion des Öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs soll Menschen dazu animieren, in Notfallsituationen nicht wegzusehen, sondern Erste Hilfe zu leisten, wenn jemand beispielsweise gerade ohnmächtig geworden ist oder einen Unfall hatte. Denn – so die Formulierung – die Inaktivität in solchen Fällen, also die unterlassene Hilfeleistung, ist schlimmer, als einen Fehler zu machen.

Spätestens zur Führerscheinprüfung absolvieren wir alle einen Erste-Hilfe-Kurs, um im Notfall richtig reagieren zu können und um Verletzte so lange zu betreuen, bis ärztliche Hilfe eingetroffen ist. Wir kontrollieren, ob die Person bei Bewusstsein ist und atmet, setzen einen Notruf ab, bringen die/den Betroffene*n in die stabile Seitenlage und müssen schlimmstenfalls Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten.2 Dieses Vorgehen ist uns auch weitestgehend bekannt, aber wie sieht es mit Erste-Hilfe-Maßnahmen für die Seele aus?

Wenn die Psyche leidet

„Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit“3, so die Feststellung von pro mente Austria. Und was wir tun müssen, um allgemein gesund zu bleiben, wissen wir im Grunde auch: Wir achten auf eine gesunde Ernährung sowie auf eine erfüllte Freizeitgestaltung nach der täglichen Arbeit, treffen unsere Freund*innen und bemühen uns um wenige Stressfaktoren. Aber was müssen wir tun, um speziell die psychische Gesundheit zu fördern? Darüber wissen wir oftmals viel zu wenig, denn nicht umsonst sind gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 2020 ca. 39 % aller Österreicher*innen von einer psychischen Erkrankung betroffen bzw. waren es schon einmal in der Vergangenheit.4 Auszugehen ist davon, dass diese Zahl auch weiterhin stark zunehmen wird. Damit sind psychische Erkrankungen (schon lange) keine ‚Randerscheinungen‘ mehr – im Gegenteil: Nahezu jede*r von uns kennt jemanden (Verwandte, Bekannte oder Freund*innen), die/der zu den Betroffenen zählt.

Trotz dieser erschütternden Statistik wird immer noch zu wenig über psychische Krankheiten gesprochen; ein lapidares „Wie geht es dir?“ gehört zur gesellschaftlichen Konvention, um ein Gespräch zu eröffnen. Wir erwarten hierbei eine Rückmeldung wie „Gut, danke“ oder fragen zumindest nach, wenn jemand uns erzählt, dass es eben „nicht so gut“ geht. Dass dahinter auch ernste psychische Krisen stecken können, davon gehen wir zunächst nicht aus, nicht zuletzt auch deswegen, weil psychische Probleme noch immer nicht offen angesprochen werden. Und dieser Umstand kann äußerst problematisch sein, denn das Verheimlichen von seelischen Schwierigkeiten bzw. die Tabuisierung des Themas führt schließlich dazu, dass die Probleme zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko werden und schlimmstenfalls das Leben im Allgemeinen stark beeinträchtigen.5

Erste Hilfe für die Seele

So, wie man also körperliche Notfallsituationen nicht einfach ignoriert, sondern aktiv wird und Erste Hilfe leistet, wenn es notwendig ist, benötigt demgemäß auch unsere Psyche entsprechende stabilisierende Maßnahmen. Ist man darüber im Bilde, wie man schwerwiegende psychische Krankheiten abwenden kann, noch bevor diese entstehen, und setzt man dahin gehend auch entsprechende Maßnahmen, dann „wird wichtige Präventionsarbeit geleistet und gleichzeitig der immer noch anhaltenden Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen entgegengewirkt“, so Vivien Hage, Klinische Psychologin und Leitung der Sozialpsychiatrischen Tagesstrukturen von pro mente steiermark.

In 12 Stunden zur/zum Ersthelfer*in für psychische Krisensituationen

Zu diesem Zwecke hat das australische MHFA6-Programm unter Betty Kitchener und Tony Jorm den ersten standardisierten Erste-Hilfe-Kurs im Ausmaß von 12 Stunden entwickelt mit dem Ziel, Erste-Hilfe-Maßnahmen auf psychische Probleme zu übertragen, um adäquat und schnell handeln zu können, wenn seelische Krisen bei nahestehenden Personen auftreten bzw. sich bestehende psychische Krankheiten verschlechtern.7 Mittlerweile wurde das Seminarprogramm von 26 Ländern lizensiert und bis heute konnten bereits mehr als 4 Millionen Menschen zu Ersthelfer*innen für psychische Krisensituationen ausgebildet werden.8

Erfolg dank wissenschaftlicher Evidenz

Das Kursprogramm orientiert sich hierbei nicht an gängigen ‚Meinungen‘, sondern basiert auf wissenschaftlichen Grundlagen und zahlreichen Studien, die untermauern, dass den Kurs-Teilnehmer*innen nachweislich fundiertes Wissen über psychische Erkrankungen bzw. über die seelische Gesundheit vermittelt wird. Durch eine laufende Seminar-Evaluierung konnte gleichzeitig belegt werden, dass stigmatisierendes Verhalten gemindert, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, im Notfall auch tatsächlich helfen zu können, gestärkt und die Aufrechterhaltung der eigenen psychischen Gesundheit gefördert wird.9

Erste-Hilfe-Maßnahmen setzen – in nur wenigen Schritten

Im Seminar selbst erhalten die Kurs-Teilnehmer*innen einen Überblick über psychische Störungen bzw. Erkrankungen (beispielsweise Depression, Angststörung oder Psychosen) und lernen mehr darüber, welche Anzeichen symptomatisch für die jeweilige psychische Erkrankung sind. In weiterer Folge eignen sie sich im Seminar 5-Schritte-Maßnahmen an, wie Erste Hilfe konkret geleistet werden kann.

  1. Reagiere
  2. Offen und unvoreingenommen zuhören und kommunizieren
  3. Gib Unterstützung und Information
  4. Ermutige zu professioneller Hilfe
  5. Reaktiviere Ressourcen

Innerhalb von 12 Stunden erlangen die Seminarteilnehmer*innen so wichtige Kenntnisse über das richtige Verhalten bei offensichtlich psychischen Krisen der Mitmenschen und lernen, wie sie auf Betroffene zugehen und in weiterer Folge auch unterstützen können.

Kursangebot in ganz Österreich

Nach erfolgreicher Umsetzung in vielen Ländern konnte im Jahr 2020 auch pro mente Austria das Seminarprogramm lizensieren. Damit ist es nun sozialpsychiatrischen Dienstleistungsunternehmen und Institutionen in ganz Österreich möglich, mittels des 12-Stunden-Kurses Ersthelfer*innen für psychische Notsituationen auszubilden. Und ab sofort bieten auch wir den Kurs an.

Wer kann teilnehmen?

Zielgruppen des Seminars sind all jene Personen, die Ersthelfer*in werden möchten, womit es keine Einschränkungen dahin gehend gibt: Sowohl Mitarbeiter*innen von Unternehmen als auch Betroffene selbst oder Angehörige und nicht zuletzt Interessierte können sich jederzeit für den Erste-Hilfe-für-die-Seele-Kurs anmelden und schlussendlich dazu beitragen, auch bei psychischen Erkrankungen Erste Hilfe zu leisten sowie psychische Erkrankungen zu enttabuisieren bzw. entstigmatisieren.

 

Anmeldeinformationen:
Erste-Hilfe-für-die-Seele-Kurs von pro mente steiermark GmbH
Ausmaß: 12 Stunden
Telefonische Anmeldung unter: +43 5 0441 – 0
Anmeldung via E-Mail: erstehilfe@promentesteiermark.at
Kosten: € 170,-

Weitere Informationen zum Erste-Hilfe-für-die Seele-Seminar finden Sie unter https://www.erstehilfefuerdieseele.at/ »»

 

In Kooperation und mit Unterstützung von

 


1 Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Erste-Hilfe-Maßnahmen. Aktualisiert am 08.01.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/erste-hilfe/notdienst/massnahmen [Stand: 16.02.2022].

2 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Erste-Hilfe-Maßnahmen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/erste-hilfe/notdienst/massnahmen [Stand: 16.02.2022].

3 Vgl. pro mente Austria: Erste Hilfe für die Seele. Handbuch für psychische Gesundheit. Wien: 2020.

4 Vgl. Berufsverband Österreichischer PsychologInnen | BÖP: Psyche Gesundheit in Österreich: Aktuelle Studie zeigt großen Handlungsbedarf. In: boep.or.at. Veröffentlicht am 01.07.2020.
URL: https://www.boep.or.at/aktuelles/detail?news_item_id=5efc60033c15c8588f000053 [Stand: 16.02.2022].

5 Vgl. pro mente Austria: Erste Hilfe für die Seele. Handbuch für psychische Gesundheit. Wien: 2020, S. 5.

6 Die Abkürzung „MHFA“ steht für „Mental Health First Aid“.

7 Vgl. pro mente Austria: Erste Hilfe für die Seele. Handbuch für psychische Gesundheit. Wien: 2020, S. 6.

8 Vgl. MHFA Ersthelfer: Was ist MHFA? In: mhfa-ersthelfer.de.
URL: https://www.mhfa-ersthelfer.de/de/was-ist-mhfa/ [Stand: 16.02.2022].

9 Vgl. pro mente Austria: Erste Hilfe für die Seele. Handbuch für psychische Gesundheit. Wien: 2020, S. 7.

Bildhinweis: pro mente Austria

Veröffentlicht am: 06.04.2022