Auf der Suche nach Glück … oder doch eher Zufriedenheit?

 

Glücksgefühle versetzen uns in Hochstimmung, sind jedoch nur von kurzer Dauer, weswegen Momente des Glücks auch intensiv wahrgenommen werden. Aber sollte man wirklich ständig nach Glück streben? Oder ist das subjektive Wohlbefinden in Form von Zufriedenheit nicht doch eher ein wünschenswerterer Zustand?

Das erste Mal das neugeborene Kind im Arm halten, die letzte Stufe der Karriereleiter endlich erklimmen, ein Leben in Luxus führen können – Glück wird von allen unterschiedlich definiert, handelt es sich dabei ja um eine subjektive Emotion. Und das Glücklichsein wirkt sich im Allgemeinen äußerst positiv auf den Körper und auf die Seele aus: Glückliche Menschen fühlen sich oftmals gesünder und verspüren weniger Schmerzen. Außerdem können sie besser mit angespannten Situationen umgehen, da entsprechende Stresshormone in einem geringeren Maß ausgeschüttet werden. Solche Hochgefühle ermöglichen es auch, den Alltag mit einer positiveren Einstellung zu meistern und eventuelle Herausforderungen leichter zu bewältigen, da man über ein stärkeres Selbstvertrauen verfügt.1

Doch Glück in seinen unterschiedlichen Ausprägungen kennzeichnet sich durch ein bestimmtes Merkmal – es ist niemals von Dauer: „Glück ist immer etwas Flüchtiges“2, wie es der in Wien lebende Psychoanalytiker Hans-Otto Thomashoff auf den Punkt bringt. Was passiert also im Körper, dass dieser Zustand kein dauerhafter sein kann?

Das Glücksgefühl als biochemischer Vorgang.

In Situationen des Glücks reagiert das Gehirn mit einer Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin. „Es kommt zu einem Feuerwerk, das aber schnell abbrennt“3, wie Thomashoff weiter ausführt. Glücklichsein sei deswegen mit den Bedürfnissen einer suchtkranken Person vergleichbar, denn in beiden Fällen – beim Empfinden von Glück und auch beim Konsum von Drogen – werden dieselben Gehirnzentren aktiviert. Ein dauerhaftes Streben nach Glück sei aber nicht empfehlenswert und auch nicht ratsam, wie Thomashoff erläutert.4 „Es ist wie mit allen Dingen, die sich ständig wiederholen: Sie werden langweilig“5. Und ein wesentlicher Aspekt muss dabei auch berücksichtigt werden, denn das Hochgefühl, welches uns im Zustand vollständigen Glücks umfasse, könne sich zu einer regelrechten Sucht entwickeln, so Thomashoff. Der Drang, immer wieder Glücksgefühle verspüren zu wollen, bereite auf Dauer Stress und führe in weiterer Folge zu Unzufriedenheit.6

Damit ist es auch gar nicht ratsam, dem Glück ständig und immerfort nachzujagen, da es neben den erwähnten Faktoren auch negativen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden nimmt. Der in Göttingen tätige Hirnforscher Gerald Hüther plädiert eher dafür, dass sich jeder Mensch seinen individuellen Vorlieben bewusst werde, um das subjektive Wohlbefinden langfristig zu steigern anstatt dem flüchtigen Glück nachzujagen.7 „Das kann der Yoga-Kurs für die gestresste Mutter sein, Trompete lernen, ein Ehrenamt oder einige Stunden an einem Schreibtisch mit nichts weiter als einem Stift und einem Blatt Papier“8. Es gehe darum, so Hüther, sich selbst Räume zu schaffen, um sich lebendig zu fühlen.9

Sollte das Ziel dann nicht eher Zufriedenheit statt Glück sein?

Denn anders als Glück kann der Zustand der Zufriedenheit bewusst herbeigeführt werden und sodann auch ein dauerhafter sein. Anhaltendes Wohlbefinden führt dazu, langfristig zumindest glücklicher zu sein. Auch die durch Zufriedenheit ausgelösten Mechanismen im Gehirn sind von jenen zu unterscheiden, die für Glücksgefühle verantwortlich sind. Hier wirken Belohnungsstoffe langsam und konstant und dabei verhindern vor allem Morphium und Endorphine ein schnelles Abflauen des subjektiven Wohlbefindens, denn Zufriedenheit entsteht, wenn die individuellen Bedürfnisse fortwährend und konstant befriedigt werden.10

Subjektives Wohlbefinden setzt sich aus drei Komponenten zusammen, nämlich aus einer allgemeinen Lebenszufriedenheit, aus vielen positiven und gleichzeitig wenig negativen Emotionen. Demnach sind eine positive und optimistische Lebensführung erfolgsversprechend, wenn es darum geht, langfristig zufrieden zu sein. Im Generellen muss man sich jedoch individuell darüber klar werden, was guttut und was als Störfaktor für langfristige Zufriedenheit zu werten ist.11

Was fördert nun die Zufriedenheit bzw. das subjektive Wohlbefinden konkret?

Auch wenn ein ständiges Hochgefühl auf Dauer nicht möglich ist, so sollte doch der Zustand der Zufriedenheit angestrebt werden, um glücklich zu sein. Laut Thomashoff gibt es hierbei 3 Aspekte, die im Allgemeinen zu mehr Zufriedenheit führen, aber individuell zu bestimmen sind: Vor allem negative Gefühle müssen erkannt und verarbeitet werden. Des Weiteren sollen bestehende Konflikte, sowohl bewusste als auch unbewusste, gelöst werden, wobei auch professionelle Hilfe eine wichtige Unterstützung sein könne. Zuletzt sei es vonnöten, das soziale Netzwerk zu pflegen und Tätigkeiten auszuüben, die befriedigend wirken. In ihnen bzw. durch sie solle man sich selbst verwirklichen, sie jedoch in einem angemessenen Maß betreiben, damit durch sie kein zusätzlicher Stressfaktor entstehe.12

Um das subjektive Wohlbefinden zu steigern, wird außerdem empfohlen, einen gesunden Lebensstil zu pflegen. Ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung sind hierbei von besonderer Wichtigkeit. Auch das Stärken der eigenen Widerstandskraft – Resilienz – ist ein wesentliches Element, um Zufriedenheit im Alltag zu schaffen. Nicht zuletzt wird neben einem adäquaten Stressmanagement im beruflichen und privaten Alltag auch empfohlen, sich selbst wie eine geliebte nahestehende Person zu behandeln: Sich selbst wertschätzen und eine Freude machen sowie die Dinge tun, die glücklich machen.13

Gemäß den Ausführungen sollte man sich also darum bemühen, langfristig zufrieden zu sein anstatt den kurzfristigen Glücksmomenten hinterherzujagen. Denn mit einem anhaltenden subjektiven Wohlbefinden wird auch ein dauerhafter positiver Effekt auf Körper und Psyche einsetzen, welcher durch Momente des Glücks nicht gegeben ist. Sich den für sich schönen Dingen des Lebens zuwenden, Beziehungen pflegen und auf sich selbst achten – Zufriedenheit im Allgemeinen scheint demnach der erstrebenswertere Zustand zu sein, um welchen man sich bemühen sollte. Das flüchtige und nicht beeinflussbare Glück mit all seinen positiven Wirkungen ergänzt das subjektive Wohlbefinden sodann in optimaler Form.

 


1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Glück & Wohlbefinden. Zuletzt aktualisiert am 25.09.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/glueck-erforschen [Stand: 08.04.2021].

2 Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen. In: WELT.de. Veröffentlicht am 30.11.2014.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

3 Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

4 Vgl. Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

5 Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

6 Vgl. Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

7 Vgl. Larmache, Jasmin: Hirnforscher entwickelt Glücksformel – dafür muss sich jeder zwei Fragen stellen. In: FOCUS-Online. Veröffentlicht am 01.04.2021.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/gerald-huether-im-gespraech-hirnforscher-entwickelt-gluecksformel-dafuer-muss-sich-jeder-zwei-fragen-stellen_id_10201786.html [Stand: 08.04.2021].

8 Larmache, Jasmin: Hirnforscher entwickelt Glücksformel – dafür muss sich jeder zwei Fragen stellen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/gerald-huether-im-gespraech-hirnforscher-entwickelt-gluecksformel-dafuer-muss-sich-jeder-zwei-fragen-stellen_id_10201786.html [Stand: 08.04.2021].

9 Vgl. Larmache, Jasmin: Hirnforscher entwickelt Glücksformel – dafür muss sich jeder zwei Fragen stellen.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/gerald-huether-im-gespraech-hirnforscher-entwickelt-gluecksformel-dafuer-muss-sich-jeder-zwei-fragen-stellen_id_10201786.html [Stand: 08.04.2021].

10 Vgl. Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

11 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Glück & Wohlbefinden.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/glueck-erforschen [Stand: 08.04.2021].

12 Vgl. Becker, Claudia: Lasst uns statt Glück die Zufriedenheit suchen.
URL: https://www.welt.de/vermischtes/article134870810/Lasst-uns-statt-Glueck-die-Zufriedenheit-suchen.html [Stand: 08.04.2021].

13 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Glück & Wohlbefinden.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/praevention/glueck-erforschen [Stand: 08.04.2021].

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Veröffentlicht am: 12.05.2021