Das gebrochene Herz – ein psychischer Ausnahmezustand
Das Eingehen einer Partnerschaft ist immer mit dem Risiko verbunden, dass die Beziehung scheitert – mit ordentlich Liebeskummer, vermeintlich harmlos und oftmals spöttisch betrachtet. Dieser sorgt jedoch dafür, dass Körper und Seele einer enormen Belastung ausgesetzt sind.
Die berühmten Schmetterlinge im Bauch, ständig an die Herzensperson denken und dabei ein Lächeln auf den Lippen, außerdem voller Freude und Energie, sich stark fühlen – das Verliebtsein geht mit unzählig vielen positiven Emotionen einher, die darauf zurückzuführen sind, dass unser Gehirn in solchen Phasen vermehrt Glückshormone wie Dopamin und Oxytocin ausschüttet, genauso wie Adrenalin.1 Die amerikanische Antrophologin Helen Fisher fasst zusammen: „Verliebte sind wie Drogensüchtige“2, denn es würden „die gleichen Aktivitätsmuster“3 auftreten.
Jedes Beziehungshoch kann aber im schlimmsten Fall irgendwann enden und schließlich zur Trennung führen. Und auch dann sind die neurobiologischen Vorgänge mit jenen einer Sucht, in diesem Fall mit einem kalten Entzug vergleichbar.4 Doch was machen eine Trennung und der damit verbundene und fast unvermeidbare Liebeskummer wirklich mit uns?
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Günter H. Seidler wehrt sich dagegen, Liebeskummer nach einer Trennung zu bagatellisieren: „Liebeskummer, das klingt nach einem Teenagerproblem, das sich auf dem Schulhof abspielt. Dabei sprechen wir von einem seelischen Leiden, das auch viele Erwachsene aus der Bahn wirft“5. Und die im Jahr 2011 durchgeführte Auswertung von 32 Studien mit mehr als 6,5 Millionen Teilnehmer*innen belegt: Kurz nach einer Trennung bzw. Scheidung steigt das Risiko, vorzeitig zu sterben, um 23 % im Vergleich zu Menschen, die in einer Partnerschaft leben.6
Die Symptome, welche im Zuge der Auflösung einer Beziehung auftreten, sind „stressassoziierte körperliche Symptome“7, erklärt Seidler: Weil der Dopamin-Spiegel markant sinkt, fühlt man sich unsicher, mutlos und depressiv. Man leidet an Schlaf- und Appetitlosigkeit, kann sich nur schwer konzentrieren und wegen der nun verstärkten Ausschüttung von Stresshormonen sind Herzrasen, Zittern oder Schwitzen unliebsame Merkmale einer Trennung bzw. von Liebeskummer.8
Wenn das Herz bricht …
Diese starke Stress-Symptomatik von Liebeskummer kann sogar zum buchstäblichen ‚gebrochenen Herzen‘ führen: Beim Broken-Heart-Syndrom, das den Herzmuskelerkrankungen zugeschrieben wird und im Zuge einer Trennung sowie auch beim Tod eines geliebten Menschen auftreten kann, leiden Betroffene unter einer plötzlichen Funktionsstörung des Herzens. Dabei treten ähnliche Symptome wie bei einem Herzinfarkt – Atemnot, ein Engegefühl in der Brust, Schweißausbrüche, Übelkeit oder Erbrechen – auf, die schließlich medizinisch behandelt werden müssen.9
Psychischer Ausnahmezustand
In der Regel kämpfen die meisten mit dem ‚klassischen‘ Liebeskummer, aber auch dieser kann insbesondere das seelische Wohlbefinden aus dem Gleichgewicht bringen: „Da passiert etwas psychisch Gefährliches, und man ist dem absolut hilflos ausgesetzt, man kann es nicht verhindern oder steuern“10, wie Seidler erklärt. Die Trauer nach einer zerbrochenen Partnerschaft gilt aus psychologischer Sicht als Anpassungsstörung und kann eine reaktive Depression verursachen. Diese Art der Depression beschreibt eine unmittelbare Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder auf eine große Lebensveränderung und äußert sich durch typische Symptome einer Depression.11 Zwar wird eine solch starke Belastungsreaktion insbesondere in den ersten Wochen nach einer Trennung als ‚normal‘ eingestuft,12 aber „[w]enn es jedoch so ist, dass ich das Gefühl habe, ich kriege das alleine nicht bewältigt, ich bin dem so ausgeliefert, ich kann mit meinen Emotionen gar nicht umgehen, dann ist es sinnvoll, sich Unterstützung zu suchen“13, sagt Eva Kalbheim, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Bonn.
Phasen des Liebeskummers
Ausgegangen wird davon, dass schwerer Liebeskummer zwischen 12 und 36 Monaten anhält und vier Phasen durchläuft, deren Reihenfolge nicht zwingend eingehalten wird und die sich abwechselnd wiederholen können:14
- Phase 1: Verdrängung
Man hofft auf eine Kurzschlussreaktion der Partnerin*des Partners und ist sich sicher, dass die Beziehung noch nicht endgültig beendet ist. - Phase 2: Trauer
Hat man schließlich akzeptiert, dass die Trennung nicht widerrufen wird, wird Trauer übermächtig. In dieser Phase kann es sodann zur reaktiven Depression kommen, denn das Leben ohne die*den Partner*in wird als sinnlos wahrgenommen. Gleichzeitig vernachlässigen viele die eigenen Bedürfnisse und sich selbst, essen, trinken und schlafen wenig und können den gewohnten Alltag kaum oder gar nicht fortführen. - Phase 3: Wut
Irgendwann geht die Trauer jedoch in Wut über und man fokussiert sich darauf, was die Beziehung einem selbst abverlangt und was die*der Partner*in einem ‚weggenommen‘ hat. In der Regel ist diese Phase des Liebeskummers die Vorbereitung für die letzte Phase. - Phase 4: Neuanfang
Nun hat man die Trennung und die*den Partner*in überwunden, akzeptiert den Verlust und ist offen für Neues im Leben, eventuell auch für eine neue Beziehung.
Bis man jedoch in dieser 4. Phase angelagt ist, ist es vonnöten, „zu akzeptieren, dass es wehtut, wenn eine Beziehung sehr tief und emotional schön gewesen ist und zu Ende geht“15, meint Kalbheim.
Selbstfürsorge für mehr Akzeptanz
Nach einer Trennung sei es deswegen besonders wichtig, auf sich selbst zu achten, so Seidler: „Die beste Medizin ist, dass man sich etwas gönnen kann, also für sich selbst etwas Gutes tun kann. Und sich das auch selbst wert ist“16. Selbstfürsorge und darauf zu achten, was wohltuend wirkt – das kann ein Wellness-Tag, Sport oder ein genussvolles Essen sein –, ist also wesentlich nach einer Trennung. Und anstatt ein Beziehungsende zu ignorieren bzw. zu verdrängen, sollte jedenfalls mit Vertrauten darüber gesprochen werden, was neue Perspektiven eröffnen kann. Auch Neues auszuprobieren oder sich Dingen zu widmen, die man während der Partnerschaft vernachlässigt hat, hilft zum einen bei einer sinnvollen Gestaltung der Freizeit ohne Partner*in und ermöglicht es zum anderen, neue Hobbys zu entdecken und Kontakte zu knüpfen. Außerdem wirkt es nach einer Trennung unterstützend, Social-Media-Verbindungen zu lösen und Gegenstände wegzuräumen, die an die Beziehung/an die Person erinnern.17
Am wichtigsten ist es also, Trauer zuzulassen, aber gleichzeitig auch den ‚Heilungsprozess‘ mit genügend Selbstfürsorge zu unterstützen. Gehen die Liebeskummer-Symptome jedoch über das übliche Maß hinaus und halten Anzeichen einer reaktiven Depression länger an, so sollte man sich keinesfalls davor scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gilt jedenfalls, alle Maßnahmen zu setzen, die dabei hilfreich sind, eine gescheiterte Beziehung zu verarbeiten und das psychische Wohlbefinden wieder in Balance zu bringen, um sich schlussendlich wieder neuorientieren und gesammelte Erfahrungen als gewinnbringend für die persönliche Entwicklung einstufen zu können.
1 Vgl. o.A.: Wie Verliebtsein auf Körper und Psyche wirkt. In: kleinezeitung.at. Veröffentlicht am 02.10.2020.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/5876156/Unterschiede-zwischen-Alt-und-Jung_Wie-Verliebtsein-auf-Koerper [Stand: 16.04.2025] und
vgl. Garde, Barbara: Liebeskummer – was tun? In: planet-wissen.de. Aktualisiert am 15.07.2020.
URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/liebe/partnerschaft/partnerschaft-liebeskummer-100.html [Stand: 16.04.2025].
2 Stüvel, Heike: Liebeskummer setzt Körper enorm unter Stress. In: welt.de. Veröffentlicht am 27.02.2009.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article3286526/Liebeskummer-setzt-Koerper-enorm-unter-Stress.html [Stand: 16.04.2025].
3 Stüvel, Heike: Liebeskummer setzt Körper enorm unter Stress.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article3286526/Liebeskummer-setzt-Koerper-enorm-unter-Stress.html [Stand: 16.04.2025].
4 Vgl. dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt. In: apotheken-umschau.de. Veröffentlicht am 07.11.2024.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
5 Botzenhart, Tilmann / Weiss, Bertram: Der Schmerz nach einer Trennung. In: geo.de.
URL: https://www.geo.de/wissen/trennungsschmerz–was-liebeskummer-mit-uns-macht-30171368.html [Stand: 16.04.2025].
6 Vgl. krm: Wie die Scheidung Körper und Seele krank macht – und was dagegen hilft. In: mdr.de. Veröffentlicht am 30.11.2020.
URL: https://www.mdr.de/wissen/scheidung-macht-krank-100.html [Stand: 16.04.2025].
7 dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
8 Vgl. Garde, Barbara: Liebeskummer – was tun?
URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/liebe/partnerschaft/partnerschaft-liebeskummer-100.html [Stand: 16.04.2025].
9 Vgl. Helios Gesundheitsmagazin: Wenn das Herz bricht – das Broken-Hearth-Syndrom. In: helios-gesundheits.de.
URL: https://www.helios-gesundheit.de/magazin/news/02/broken-heart-syndrom/ [Stand: 17.04.2025].
10 Botzenhart, Tilmann / Weiss, Bertram: Der Schmerz nach einer Trennung.
URL: https://www.geo.de/wissen/trennungsschmerz–was-liebeskummer-mit-uns-macht-30171368.html [Stand: 16.04.2025].
11 Vgl. Garde, Barbara: Liebeskummer – was tun?
URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/liebe/partnerschaft/partnerschaft-liebeskummer-100.html [Stand: 16.04.2025].
12 Vgl. dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
13 dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
14 Vgl. Garde, Barbara: Liebeskummer – was tun?
URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/liebe/partnerschaft/partnerschaft-liebeskummer-100.html [Stand: 16.04.2025].
15 dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
16 dpa: Hilfe bei Liebeskummer – wie die Wunde im Herzen wieder heilt.
URL: https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/liebeskummer-wie-die-wunde-im-herzen-wieder-heilt-1186413.html [Stand: 16.04.2025].
17 Vgl. Garde, Barbara: Liebeskummer – was tun?
URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/liebe/partnerschaft/partnerschaft-liebeskummer-100.html [Stand: 16.04.2025].
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Veröffentlicht am: 23.04.2025